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Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Titel: Bragg 04 - Dunkles Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
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heiraten?«
    »Na, warum wohl? Aus Pflicht. Eines kann mir niemand vorwerfen: dass ich je meine Pflichten vernachlässigt hätte.«
    »Offenbar bin ich dir durch und durch verhasst«, sagte sie völlig fassungslos.
    Er sah sie an, machte dann auf dem Absatz kehrt, stürmte aus dem Zimmer und knallte die Tür mit solcher Wucht hinter sich zu, dass die Wände wackelten.
    Jane sank tränenüberströmt zu Boden. Dann wollte er sie also nur heiraten, weil er es für seine Pflicht hielt oder weil die Schicklichkeit es erforderte oder so etwas. Nein, er liebte sie nicht – nicht einmal im Entferntesten. Nicht nur das. Sie war ihm sogar zuwider. Das hatte sie in seinen Augen ganz genau gesehen.
    In der folgenden Nacht verließ sie ihn.
     
    Am nächsten Tag erschien Jane nicht zum Mittagessen. Von einem Dienstmädchen erfuhr der Earl außerdem, dass sie nicht in ihrem Bett geschlafen hatte. Schließlich fand er das ebenso kurz wie sachlich gehaltene Schreiben, das sie zurückgelassen hatte:
     
    Lieber Nicholas,
     
    ich möchte dich ebenso wenig heiraten. Wie ich Dir erzählt habe, möchte ich gerne Schauspielerin werden. Im Oktober werde ich achtzehn. Ich hoffe, du verstehst, dass ich alt genug bin, um für mich selbst zu sorgen. Ich weiß, dass Du mich aufspüren kannst, wenn Du dies möchtest. Ich werde deshalb gar nicht erst versuchen, meinen Aufenthalt vor Dir geheim zu halten. Ich werde bei meinem alten Freund Robert Gordon wohnen, dem Direktor des Lyceum Theatre. Verstehe bitte, dass dies für uns beide die beste Lösung ist.
    Jane
     
    Das Zimmer ringsum verschwamm vor seinen Augen.
    Nick war schockiert. Er hatte sogar Tränen in den Augen.
    Er zerknüllte den Brief und zertrat ihn dann mit dem Absatz.
    Was für ein unerträglicher Schmerz.
    Jane hatte ihn verlassen.
    Sie war lieber weggegangen, als ihn zu heiraten. Hatte er es nicht gleich gesagt, dass alles einmal so enden würde? Vor die Wahl gestellt, hatte sie es vorgezogen, ihr Leben nicht an seiner Seite zu verbringen. Kein Wunder.
    Plötzlich fiel ihm alles wieder ein, und jede einzelne Erinnerung war eine Qual. Alles stand plötzlich wieder vor ihm: Wie er sie in Begleitung ihrer Tante Matilda das erste Mal gesehen hatte. Wie ängstlich sie ihn damals angeschaut hatte und zugleich mit ihren großen blauen Augen so süß und unschuldig wie ein Engel. Er sah wieder vor sich, wie sie mit Chad gespielt hatte, wie sie im Regents Park ganz blass vor Schreck von dem alten Gaul heruntergerutscht war. Er sah wieder ihren hinreißenden Wutanfall vor sich, hörte wieder, wie sie die Herzogin von Lancaster als böse und charakterlos bezeichnete. Er musste daran denken, wie sie mit Lindley gelacht und geflirtet hatte. Er sah wieder, wie sie ihm selbst lächelnd entgegenblickte. Und auch die vorletzte Nacht stand ihm plötzlich wieder in aller Klarheit vor Augen – sogar klarer denn je. Ihre leidenschaftliche Reaktion, ihr wunderschöner Körper, der sich ekstatisch unter ihm krümmte und wand. Er spürte wieder ihre Fingernägel in seinem Rücken, die Spuren waren noch immer zu sehen. Ihre Wärme, ihre betörende Schönheit.
    Am besten konnte er sich jedoch an den vergangenen Abend erinnern, an seine Grausamkeit, den zunächst ungläubigen, dann verletzten Ausdruck auf ihrem Gesicht, die dicken Tränen, die über ihre Wangen gerollt waren.
    In diesem Augenblick wusste er, dass es zu spät war. Wogegen – er sich von Anfang an aufgelehnt hatte, genau das war eingetreten. Er liebte sie. Er liebte sie, wie er noch nie zuvor einen Menschen geliebt hatte, nicht einmal Patricia. Doch darauf kam es jetzt nicht mehr an.
    Sie war vor ihm davongelaufen.
    Sie wollte ihn nicht.
    Hatte er nicht die ganze Zeit gewusst, dass es genauso kommen würde?
    Jane hatte ihn verlassen. Es war vorbei.
    Er schloss die Augen. Die Schmerzen waren schier unerträglich.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

II
     
    Der gefallene Engel
     
    London 1876

Kapitel 24
     
    Der Applaus wollte gar nicht enden.
    Jane war gerührt. Als sie wieder vor den Vorhang trat, wie eine in blau schimmerndes Chiffon gehüllte Erscheinung allein auf der riesigen Bühne stand, schwoll der Beifall nochmals an, und Jane glaubte schon, dass die Ovationen nun endlich in donnernden Applaus umschlagen und endlos andauern würden. Doch sie hatte sich kaum verbeugt, als der Applaus auch schon wieder merklich nachließ. Jane neigte den Kopf und trat lächelnd von der Bühne ab.
    Ihr Lächeln erlosch. Ihre

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