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Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Titel: Bragg 04 - Dunkles Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Erleichterung wich wie stets lähmender Verzweiflung. Würde sie je solche Ovationen erhalten wie ihre Mutter?
    Würde sie je so gut sein wie ihre Mutter?
    »Jane, Liebling, du warst großartig.« Jane sah Robert Gordon lächelnd an. Er kam strahlend auf sie zu und umarmte sie. Sie erwiderte seine Umarmung freundschaftlich.
    Er war ein Mann in mittleren Jahren mit grau meliertem Haar und einem Oberlippenbart. Er sah sie fragend an, dann schob er sie in ihre Garderobe. Jane ließ sich auf das kleine rote Sofa fallen und bemerkte erst jetzt, wie erschöpft sie war. Dann öffnete Robert eine Flasche Champagner und reichte ihr ein Glas. »Du warst wirklich großartig, Jane«, sagte er.
    Sie sah ihn an. Ihr Gesicht war noch weiß geschminkt. Ihre großen blauen Augen, ihre rot gefärbten Lippen und ihre erdbeerrot geschminkten Wangen kamen deshalb nur umso stärker zur Geltung. »Wenn du meinst.«
    »Jane.« Seine Stimme klang vorwurfsvoll. Jane nippte an ihrem Champagner, schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück. »Du bist sehr begabt«, fuhr Robert fort. »Das Stück ist erst seit drei Wochen im Programm, und schon liegt dir ganz London zu Füßen. Die Vorstellung heute Abend war fast ausverkauft.«
    Jane machte die Augen wieder auf. »Aber was ändert das schon? Morgen wird es in der Zeitung wieder heißen, dass ich schon recht gut bin – für ein Mädchen meines Alters. Und dann werden die Kritiker fragen: Ob sie je die Größe ihrer Mutter erreicht?« Jane stellte das Champagnerglas laut auf den Tisch. »Ich habe es einfach satt, ewig mit meiner Mutter verglichen zu werden. Einfach satt.«
    Robert setzte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schultern. »Du bist nun mal jung. Aber du bist sehr gut. Du musst dir nur die nötige Zeit geben.«
    Jane rieb sich die Augen. »Entschuldige, Robert, ich bin nur übermüdet.« Sie stand auf, trat an ihren Spiegeltisch und schminkte sich ab. Robert ging hinaus. Als sie fertig war, löste sie den Chignon und band ihr Haar hinten zu einem einfachen Pferdeschwanz zusammen. Dann kehrte Robert mit einem ganzen Arm voller Rosen zurück. Jane musste lächeln.
    »Möchtest du die Karten sehen?«, fragte er.
    »Lauter Liebesschwüre?«, fragte Jane zurück.
    »Natürlich.«
    Jane schüttelte lachend den Kopf. »Die Blumen nehme ich mit nach Hause.« Sie blickte um sich. »Hier ist ohnehin alles voll.«
    Das war tatsächlich der Fall. Überall standen Vasen mit Rosen: auf dem Schminktisch, auf dem Serviertisch, auf den Beistelltischen neben dem Sofa. Wenigstens das ist genau wie bei Mami, dachte Jane. An Verehrern fehlte es ihr wahrlich nicht, obwohl ihr das ziemlich egal war. Es interessierte sie nicht einmal, wer diese Leute waren.
    Die beiden verließen das Theater durch den Hinterausgang, um den Männern auszuweichen, die vor der Garderobe warteten und darauf hofften, Jane aus der Nähe zu sehen und ein paar Worte mit ihr zu plaudern. So ging das jeden Abend. Am Anfang hatte sich Jane noch geschmeichelt gefühlt, dann bloß noch amüsiert. Tatsächlich hatte sie sich inzwischen schon fast an die Aufmerksamkeit und Bewunderung gewöhnt, die mit ihrer Berühmtheit einhergingen. Auch an die Bezeichnung »Kleiner Engel« hatte sie sich bereits gewöhnt. Offenbar hatte sich jemand daran erinnert, dass sie als Kind unter dem Namen »Sandras Engel« bekannt gewesen war. Und nun hatten ihre Bewunderer diesen Namen in leicht abgewandelter Form wieder aufleben lassen. Einen Vorteil immerhin hatte diese Namenswahl: Jane war mittlerweile in den Augen des Publikums mehr als bloß ein Anhängsel ihrer Mutter.
    Der Weg durch den Hinterausgang hatte aber noch einen weiteren Vorteil: Man konnte auf diese Weise den Menschenmassen und dem dichten Verkehr auf dem Piccadilly Circus ausweichen, wo das Criterion Theatre seinen Standort hatte. In der ruhigen Nebenstraße war kaum ein Mensch unterwegs. Das Theater hatte sich erst zwei Jahre zuvor in den rückwärtigen Räumlichkeiten des beliebten Criterion Restaurants etabliert. In den vergangenen Jahren hatten sich die Dinge in der Welt des Theaters nämlich grundlegend verändert. Die wichtigen Londoner Häuser waren in neuerer Zeit dazu übergegangen, die einzelnen Produktionen an möglichst vielen Abenden hintereinander zu präsentieren, während das Programm früher ständig gewechselt hatte. Ohnehin gab es in England kaum noch reisende Theatertrupps, die Ensembles lösten sich vielmehr neuerdings sofort auf, wenn ein bestimmtes Stück vom

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