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Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall

Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall

Titel: Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Haenni
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mutterseelenallein im Kirchenschiff. Wie die Wellen einer Sturmflut preschen düstere Gedanken durch meinen brummenden Schädel: Was war das soeben? Ein zufälliger Überfall? Hoffentlich nur das. Oder muss hinter der gewalttätigen Begegnung ein gezielter Einschüchterungsversuch vermutet werden? Haben die besoffenen Kerle aus Eigeninitiative oder im Auftrag gehandelt? Warum hat es mich erwischt? Ausgerechnet! Schon wieder!
    Da tritt unverhofft eine Frau aus dem Halbdunkel des Kirchenschiffs. Sie spricht mich mit Namen an: »Ja, gibt’s denn das? Herr Feller? Wie geht es Ihnen?«
    Das zuletzt Gehörte passt.

     

22
    Ich schildere Eleonore Günther, der Musikverlegerin aus Thun, den Überfall am Florentinerberg.
    Sie tröstet mich. Sie ist so lieb. Liebfrauentrost!
    »Sie Armer. So ein Riesenpech.«
    »Halb so schlimm, Frau Günther«, beschwichtige ich. Fast wird mir ihre Fürsorge zu viel.
    »Soll ich Sie zur Polizei begleiten, Herr Feller?«, fragt sie.
    »Nicht nötig. Ich gehe auch gar nicht dorthin«, wehre ich ab.
    Sie wundert sich.
    »Wozu Zeit auf dem Posten verplempern? Was könnte ich im besten Fall erreichen? Die Verhaftung der beiden Täter?«
    »Ja, zum Beispiel«, meint sie.
    »Ach was«, wehre ich ab. »Die sind den Behörden vermutlich längst bekannt. Was haben Kreaturen wie die beiden Alkoholleichen zu verlieren? Jedenfalls weniger, als ich zu gewinnen.«
    »Und Ihr Geld?«, sorgt sich Frau Günther.
    »Die paar Scheinchen? Die sind nicht der Rede wert. Die armseligen Banditen haben bloß 30 Euro sowie Kleingeld erbeutet. Lächerlich.«
    Frau Günther nickt verständnisvoll. »Sie werden den Verlust verschmerzen?«
    »Den ja. Die Kopfnuss weniger. Der Schrecken sitzt mir in den Knochen.«
    »Die sind glücklicherweise ja heil geblieben. Das allein zählt«, beschwichtigt sie.
    Das ist mir spätestens seit dem Attentat in Krakau mehr als bewusst. Noch immer beschäftigt mich dieser Vorfall fast täglich. Die offenen Fragen sind es, die mir dabei zu schaffen machen. Wer wollte mir dort ans Lebendige? War ich Ziel der Attacke oder Opfer einer Verwechslung?
    Nach einer halben Stunde verlassen wir gemeinsam die Kirche und betreten den Marktplatz. Von da weg verfolgen wir eigene Wege, aber erst nachdem wir uns zum Nachtessen verabredet haben. Frau Günther hat den Italiener an der Luisenstraße vorgeschlagen. Den kenne ich zufälligerweise. Das Ristorante Garibaldi ist mir heute Nachmittag aufgefallen, weil sich daneben der Standplatz für schwere Motorräder und leichtgewichtige Platzhirsche befindet. Die demonstrieren hier jugendliche Lässigkeit, während für Garibaldis Klientel Italianità zelebriert wird.
    Ich kehre in mein Hotel zurück, dusche, flegle auf dem Bett herum und mache mich rechtzeitig zum gemeinsamen Essen mit Frau Günther auf. Es ist überraschend ruhig geworden in der Bäderstadt. Vereinzelt flanieren Menschen durch die Gassen. Kurz nachdem ich auf der Terrasse Platz genommen habe, überquert meine Trösterin mit hinreißendem Lächeln die Straße.
    Ich springe auf. »Schön, Sie wiederzusehen, Frau Günther.«
    Sie setzt sich an den gedeckten Tisch und lächelt mich an. Prompt werde ich rot wie eine Jungfrau beim Anblick eines Hotdogs. Gemeinsam studieren wir die Karte. Wir einigen uns auf dasselbe Menu. Als Vorspeise wählen wir die hausgemachte Cremesuppe vom Muskatkürbis.
    »Herr Feller, wollen wir uns nicht duzen?«, schlägt sie vor.
    Mir ist das mehr als recht. »Gerne. Ich bin der Hanspeter.«
    »Freut mich, Hanspeter. Ich die Eleonore.«
    Wir erheben die Gläser und stoßen mit fruchtigem Riesling aus Ortenau an.
    Wenn ich ehrlich bin, fällt es mir schwer, sie Eleonore zu nennen. Es ist in der Schweiz kein häufiger Name. Was noch mehr ins Gewicht fällt, ist der unglückliche Umstand, dass er mich irgendwie an Loriot erinnert. Oder heißt seine Partnerin Edeltraut? Ich nenne sie kurz und bündig Ellen.
    »Ja klar. Ellen gefällt mir. Welches Kürzel soll ich für dich wählen, Hanspeter?«
    »Ich bin der Hanspudi«, sage ich. Wir erheben die Gläser erneut. Der kühle Weiße rinnt leicht durch durstige Kehlen, aus denen anschließend ein synchrones, langgezogenes ›Aah!‹ erklingt.
    Frische gebratene Gänseleber mit karamellisierten Apfelspalten an einer Trüffelsauce bestimmt den Hauptgang.
    »Wann bist du denn angekommen, Hanspudi?«
    »Gestern um 13.50 Uhr, mit dem ICE 100 ab Basel.«
    »Was für ein lustiger Zufall. Da sind wir mit demselben Zug gereist.

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