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Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Titel: Braig & Neundorf 12: Schwabenehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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in Hönau oder in Traifelberg auszusteigen und dann langsam auf es zuzuwandern. Wenn du einverstanden bist?«
    Sie hatte sich seinem Vorschlag angeschlossen, genoss die Aussicht von dem schmalen Höhenweg auf das lang gestreckte Echaztal. Die Häuser und Gewerbeansiedlungen Honaus, Unterhausens, Pfullingens bis hin zu den Ausläufern Reutlingens waren zu erkennen, eng eingezwängt zwischen die links und rechts schroff ansteigenden bewaldeten Felsriegel der Schwäbischen Alb. Und dann, kurz nach elf Uhr an diesem Samstagmorgen waren sie am Rand der Albhochfläche angelangt, dort, wo ein einzigartig pittoreskes Gebäude auf einem über zweihundertfünfzig Meter senkrecht ins Tal abfallenden Felsen in den Himmel ragte: Der grazile, allem Anschein nach einem romantischen Märchen entlehnte Bau des Schlösschens Lichtenstein – so atemberaubend über dem Steilabfall der Alb gelegen, dass sich Annika Jung nach dem Betreten des Schlosshofes ruhig, wie die wenigen anderen Besucher, ohne jeden Kommentar der Betrachtung dieses Spielzeug-ähnlichen Wunderwerkes hingab.
    Wie das Nest eines Vogels auf die höchsten Wipfel einer Eiche oder auf die kühnsten Zinnen eines Turmes gebaut, hing das Schlösschen auf dem Felsen … Und wenn ihm die vielen hellen Fenster des oberen Stockes ein freies, luftiges Ansehen verliehen, so zeigten doch die ungeheuren Grundmauern und Strebepfeiler, die mit dem Felsen verwachsen schienen und durch Zeit und Ungewitter beinahe dieselbe braungraue Farbe wie die Steinmasse, worauf sie ruhten, angenommen hatten, dass es auf festem Grund wurzle …
    So hatte sich der junge romantische Dichter Wilhelm Hauff, dem gerade einmal fünfunfzwanzig Lebensjahre geschenkt waren (1802-1827), das Bauwerk ausgedacht und in seinem 1826 erschienen Roman Lichtenstein niedergeschrieben. Und wo sich sonst Erzählungen und Bücher um auffällige Gebäude, Kirchen, Burgen, Schlösser ranken, um deren Entstehung und Bedeutung literarisch zu verewigen und mit viel Phantasie mit der Geschichte der dort seit Jahrhunderten ansässigen, liebenden, hassenden und mordenden Menschen zu verflechten, so kehrte sich hier, in der Gestalt dieses so unnachahmlich in die Natur eingepassten und so viel Charme ausstrahlenden Bauwerks der gewohnte Ablauf der Dinge um: Was des jungen schwäbischen Dichters Phantasie entsprungen war, wurde 1840 bis 1842 lange nach dessen frühem Tod mithilfe der Pläne des Architekten Heideloff im Auftrag des Herzogs Wilhelm von Urach, Graf von Württemberg, dem Cousin des württembergischen Königs Wilhelm I., dem wohl begeistertsten Leser Wilhelm Hauffs, in Stein gemeißelt als mittelalterliche deutsche Ritterburg erstellt.
    Schon im 12. Jahrhundert war auf dem exponiert über dem Steilabfall gelegenen Felsen, der heute das Wunderwerk beherbergt, von den Grafen von Gammertingen-Achalm eine Burg errichtet worden, fünfzig Jahre später auf dem benachbarten Felsvorsprung, heute Alt-Lichtenstein benannt, ein weiteres Festungsbauwerk. Beide Burgen wurden schon im 14. Jahrhundert in den Auseinandersetzungen zwischen den Württembergern, mit denen sich die Ritter von Lichtenstein verbündet hatten, und der freien und stolzen Reichsstadt Reutlingen zerstört. Den Württembergern übergeben, wurde auf dem Gelände des heutigen Schlosses die Burg bald wieder aufgebaut, über viele Jahrhunderte hinweg jedoch nur von Förstern und Waldarbeitern bewohnt. 1802 ließ der erste württembergische König, Friedrich I., an derselben Stelle ein kleines Jagdhaus bauen, das jedoch kaum Beachtung fand. Erst Wilhelm Hauffs Roman, in dem der junge Dichter den am Anfang des 16. Jahrhunderts regierenden und wegen seiner Untaten, unter anderem des Mordes an einem seiner engsten Freunde zeitweise des Landes verwiesenen Herzog Ulrich von Württemberg (1498-1550) ähnlich dem Strickmuster moderner Fernsehseifenopern in eine märchenhafte, zu unrecht verfolgte Figur verwandelt, die von ihren treuesten Freunden immer wieder Hilfe erfährt, gab den Impuls, dem Dichter folgend, das heute noch existierende, am Ende des 20. Jahrhunderts frisch restaurierte Schlösschen neu zu errichten.
    Unter den Felsen von Lichtenstein, wohl dreihundert Klafter tief, breitet sich ein liebliches Tal aus, begrenzt von waldigen Höhen, durchschnitten von einem eilenden Waldbach, drei Dörfer liegen freundlich in der Tiefe; dem Auge, das in dieses Tal hinab sieht, ist es, als schaue es aus dem Himmel auf die Erde.
    Die einzigartige Atmosphäre des so

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