Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
verschwenden.«
Braig fühlte sich zunehmend genervt. Sein Hals schmerzte, er hatte keine Lust, seinen Kopf noch länger in diese abnormale Haltung zu zwängen. Das herrische Getue, die absurde Einrichtung der Sitzordnung in diesem Raum waren kaum zu ertragen. Die ungenierte Art, zu zeigen, wer in dieser Firma etwas zu sagen und wer den Mund zu halten hatte, machte ihm zu schaffen. Er wusste aus unzähligen Besuchen verschiedener Firmen und Behörden, dass immer mehr Mitarbeiter solch erniedrigenden Machtdemonstrationen skrupelloser Möchtegern-Diktatoren ausgesetzt waren, musste dennoch jedes Mal mit sich kämpfen, ruhig zu bleiben. Woran lag es nur, dass so auffallend viele Menschen, Männer wie Frauen, den Aufstieg in Führungspositionen charakterlich offensichtlich nicht verkrafteten und zu ungenierten, ihre Untergebenen traktierenden und schikanierenden Ellenbogen-Monstern mutierten?
»Was ist los? Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?«, polterte die Frau.
Er musste sich zurückhalten, nicht aufzuspringen und sein arrogantes Gegenüber von seinem hohen Stuhl zu katapultieren. »Wo waren Sie heute Morgen?«, fragte er deshalb ohne freundliche Überleitung, auf jede höfliche Floskel verzichtend. Er sprang von seinem Sitz, baute sich direkt vor dem Schreibtisch auf.
Die Frau warf ihren Kopf zurück. »Wie bitte?« Was erdreistet sich der Kerl, lag es in ihrem Blick.
»Heute, am frühen Morgen bis gegen zehn Uhr etwa«, insistierte er.
Fiona Bering schnappte nach Luft. Diese veränderte Machtkonstellation hatte sie, zumindest in diesem Raum, offensichtlich noch nicht erlebt.
»Was geht Sie das an?«
»Was mich das angeht?« Jetzt, im Stehen, war er trotz ihres bis zum Anschlag in die Höhe gedrehten Stuhls einen Kopf größer als sie. »Ich glaube, Sie haben nicht begriffen, welchen Beruf ich ausübe.«
Sein Gegenüber schien immer noch nicht sonderlich beeindruckt. »Mein Ex. Was ist mit ihm?«, fragte sie anstelle einer Antwort.
»Er wurde Opfer einer Gewalttat.«
»Heute Morgen?« Fiona Bering sprang von ihrem Stuhl, stützte sich auf ihren Schreibtisch, starrte Braig in die Augen. »Was ist ihm zugestoßen? Er ist …“ Sie musste die Befürchtung nicht aussprechen, ihr Gesicht sprach Bände.
Braig wartete eine Weile, ließ sie bewusst zappeln, schüttelte erst, nachdem sie ihn mit immer heftigeren Handbewegungen dazu aufforderte, sich zu erklären, den Kopf. »Nein, er lebt.«
Die Erleichterung sprach aus allen Poren ihres Körpers. Sie richtete sich abrupt zu voller Größe auf, blies einen Schwall Luft von sich. »Was ist passiert?«
»Ihr Mann wurde in seiner Wohnung überfallen und misshandelt«, sagte er.
»Wie misshandelt?«
»Er wurde in seiner Badewanne festgebunden. Das Wasser reichte ihm fast bis zur Nase.«
»Wie bitte? Soll das ein Witz sein?«, rief sie ungläubig.
»Dann wäre ich nicht hier. Aber sagen Sie mir jetzt endlich: Wo waren Sie heute Morgen?«, drängte er.
Fiona Bering griff sich mit beiden Händen an den Kopf. »Das meinen Sie nicht ernst.«
»Doch.« Er sah deutlich, wie es in ihr arbeitete, befürchtete einen neuen Wutausbruch. Im gleichen Moment läutete das Telefon.
Sie starrte auf den Apparat, ließ sich auf ihren Stuhl fallen. »Also gut«, sagte sie, »damit Sie endlich Ruhe geben.« Sie zog ein Blatt Papier zu sich her, notierte eine Ziffernfolge, schob es ihm zu, griff nach dem Telefonhörer. »Was ist los?«, fragte sie in barschem Ton.
Braig hörte eine sanfte, männliche Stimme, sah, wie die Frau vor ihm sichtbar entspannte.
»Das ist ein guter Vorschlag«, sagte sie ins Telefon. »So machen wir das. Genau so. Sie kümmern sich darum?« Sie wartete auf die Bestätigung ihrer Anweisung, legte dann auf.
»Was ist das für eine Nummer?«, fragte Braig.
»Die meines Partners. Rufen Sie ihn an. Hier.« Fiona Bering schob ihm ihr Telefon zu.
Er gab die Ziffernfolge ein, hatte die Stimme eines Mannes am Ohr.
»Fiona, was gibt es?«
ISDN, überlegte er. »Ich muss Sie enttäuschen«, gab er zur Antwort, »ich rufe zwar vom Apparat Ihrer Partnerin aus an, aber …«
»Wie bitte?« Die Überraschung des Mannes am anderen Ende der Leitung war nicht zu überhören. »Was …?«
Braig ließ ihn nicht ausreden, stellte sich vor.
Sein Gesprächspartner benötigte einige Sekunden, zu begreifen, fragte dann nach dem Grund seines Anrufes.
»Fiona Bering. Wo war sie heute Morgen?«
»Sie wollen wissen, wo Fiona heute Morgen …?«
»Genau das, ja.«
Der
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