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Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer

Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer

Titel: Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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anderen Autos, beugten sich erneut in den Personenwagen und …
    Sie wollte es nicht glauben, versuchte sich zu konzentrieren. Die trugen dasselbe Zeug wieder zurück! Zehn, zwölf kleine Kartons, nicht mehr. Anschließend eine kurze Umarmung, ein zärtliches gegenseitiges Schulterklopfen und beide verschwanden wieder mitsamt ihren Fahrzeugen. Rückwärts, in genau der Richtung, aus der sie kurz vorher aufgetaucht waren.
    Laura hatte das Geschehen des Dämmerlichts wegen mit zusammengekniffenen Augen verfolgt, dann überrascht das schnelle Ende des abendlichen Rendezvous wahrgenommen. Was war das jetzt, was hatte sich jetzt hier vor ihr abgespielt? Sie starrte auf den Monitor ihres Handys, spulte alle Aufnahmen noch einmal ab. Der kleine Lastwagen und der helle PKW auf dem Waldweg. Der unbekannte Mann, zuerst Kartons aus dem Sprinter holend, dann seine Last im anderen Wagen verstauend. Fast genau dieselben Motive mit der Frau. Anschließend beide Personen, die Kartons wieder zurücktragend. Danach die Umarmung, das zärtliche Schulterklopfen, zum Abschluss der Mann, in seinen LKW steigend und das Fahrzeug, rückwärts auf die nahe Straße biegend.
    Voll Psycho, die Fotos waren nicht schlecht. Kaum zu glauben, was dieses winzige Gerät alles festzuhalten vermochte. Laura erinnerte sich daran, wie sie eine der alten Hexen, Staible oder wie sie hieß, bei Theresa im Pfarrhaus aus der hohlen Hand heraus aufgenommen hatte, natürlich ohne dass die Alte etwas davon bemerkt hatte. Das Gesicht der keifenden Hexe zur Grimasse verzerrt, Theresa mit dem gewohnt dämlichen Gesabber volllabernd. »Oh, Frau Pfarrer, so goht’s net, des isch doch a Pfarrhaus ond net Sodom ond Gomorrha. Glaubet Se bloß net, dass Sie unbeobachtet send, der Herr sieht alles!«
    Sie hatten sich die Fotos auf Theresas Computermonitor betrachtet, die Visage der alten Hexe bis zum Geht-nicht-mehr vergrößert, sich dabei halb tot gelacht. Voll Psycho, Theresa hatte gewiehert wie ein Pferd. »Der Herr sieht älles«, hatten sie die sauertöpfische Hexe nachgeahmt, »glaubet Se bloß net, dass Sie unbeobachtet send.«
    »Der Herr weniger«, hatte Theresa gekichert, »der hat leider keine Zeit für zwei so verdorbene Weiber wie uns, aber die alte Staible dafür umso mehr. Wenn die wüsste, was wir hier mit ihr anstellen!«
    Laura ließ die Fotos von dem Kartons von Auto zu Auto und wieder zurück transportierenden Paar noch einmal Revue passieren, spürte den dringenden Wunsch, Theresa über das seltsame Geschehen zu unterrichten. Sie konnte sich das Ganze nicht erklären, musste mit jemand darüber sprechen. Nicht mit den pubertierenden Gören, die sie jetzt wieder erwarteten, sondern mit einer erwachsenen, vertrauenswürdigen Person.
    Sie hörte das laute Röhren eines Motorrads auf der nahen Straße, schrak aus ihren Gedanken. Wie spät war es? Sie warf einen Blick auf die Uhr ihres Handys. Zehn nach zehn. Oh mein Gott! Sie musste sich sputen. Das Freizeitheim war längst verschlossen.

8. Kapitel
    Gleich, in welchem Teil der Schwäbischen Alb man sich heute bewegte, der Besucher stieß überall auf schmucke, sauber herausgeputzte Dörfer, ein dichtes, wie im übrigen Land bombastisch ausgebautes Straßennetz und wohlhabende Städte, deren frisch restaurierte Altstadtkerne oft von überraschend bezaubernder Atmosphäre beseelt waren. Wohlstand und hohe Lebensqualität prägten die Region bis in den letzten Winkel. Nichts deutete mehr auf die jahrhundertelang existente Rolle der Alb als Armenhaus des Landes hin, die unzählige Generationen ihrer Bewohner zu erbärmlichen Lebensbedingungen, zeitweise sogar zur Auswanderung zwang.
    Tatsächlich ging es bis in die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts hinein vielen Alblern materiell sehr schlecht. Die im Vergleich zu anderen Regionen doch recht widrigen Umstände der Natur – weitgehend unfruchtbare, durch den kalkhaltigen Untergrund wasser- und mineralienarme Böden, dazu, bedingt durch die außergewöhnliche Höhenlage, lange und kalte Winter – vereitelten früher fast alle Bemühungen, sich bei noch so viel Fleiß die notwendigen Existenzgrundlagen zu erarbeiten. Der Alb haftete der Makel einer durch die natürlichen Bedingungen verursachten Ungunstregion an, deren Nachteile durch das vorherrschende Erbrecht der Bewohner – alle Kinder erhielten den gleichen Anteil des Besitzes der Eltern – noch verschärft wurden. Der im eigentlichen Sinn sehr fortschrittliche demokratische Brauch der

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