Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
Sprache vorgetragen zu haben, setzte zu einer langsameren Formulierung an. »Ich würde gerne …“
„… Ihre Kollege spreche«, fiel ihm die Frau ins Wort, »ja, ich verstehe, aber das geht schlecht, die sind nicht hier bei uns im Haus«, fuhr sie dann in etwas gestelztem Hochdeutsch fort, »die sind immer noch dort, wo es …“ Sie brach mitten im Satz ab, begann unvermittelt zu weinen.
Braig wusste nicht, wovon sie sprach. »Meine Kollegen?«, fragte er. »Sie haben Polizei im Haus?«
Die Frau schnäuzte sich, ging dann erst auf seine Worte ein. »Sie müsset entschuldige, aber … Noi, die sind et hier«, erklärte sie. »Die sind alle drauße, wo es passiert isch.«
»Was ist passiert?«, erkundigte sich der Kommissar.
»Ja, wieso fraget Sie denn des mi? Sie sind doch von der Polizei, oder net?«
»Das ist richtig«, antwortete Braig. »Aber ich wusste nicht, dass Sie gerade Probleme haben.«
»Probleme nennet Sie des?« Sie heulte unvermittelt wieder los.
Er hörte, wie sie ihre Nase hochzog, wartete, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte. »Weshalb sind meine Kollegen bei Ihnen? Können Sie mir das bitte erklären?«
»Ja, wieso rufet Sie denn bei uns a? Wisset Sie et Bescheid?« Ihre Stimme drohte sich zu überschlagen.
»Nein«, erklärte er. »Tut mir leid.«
Sie ließ einen tiefen Seufzer hören, schnaufte schwerfällig. »Unser Chef«, jammerte sie dann. »Unser Chef. Er isch …«
»Was ist mit ihm?«, forderte er sie auf, endlich weiterzusprechen.
Die Frau am anderen Ende schnappte nach Luft. »Er isch überfahre worde. Tot, verstandet Se, er isch tot, unser Chef. Vorhin hent Sie ihn gfunde, am Rand von der Straß. Dabei soll des scho gestern Abend passiert sein, wenn i des richtig verstände han. Und jetzt schwätzet Ihre Kollege au noch davo, dass …«
»Was sagen meine Kollegen?«
Seine Gesprächspartnerin benötigte mehrere Sekunden, bis sie dazu imstande war, ihm zu antworten. »Sie saget, es sei Absicht gwä. Verstandet Se des? Er sei ermordet worde, behauptet se!«
»Sie sprechen von Ihrem Chef? Dem Besitzer der Maultaschenfirma Fitterling?«
»Ja, von wem denn sonscht?«, heulte die Frau.
Braig stand augenblicklich unter Strom, begriff auf der Stelle, was das bedeutete. Der Chef der Maultaschenfabrikation Fitterling war ums Leben gekommen. Am Vorabend, wie deren Mitarbeiterin behauptete, angeblich gezielt, von fremder Hand. Braig hatte zu viele Berufsjahre hinter sich, um an einen Zufall zu glauben. Zuerst Roland Allmenger in einer Badewanne voller Maultaschen gefoltert, dann – am selben Tag, nur wenige Stunden später – der Besitzer der Firma, die diese Teigwaren herstellte – sofern sich diese Vermutung Rössles bestätigte, woran er angesichts der jahrelang bewährten Kompetenz des Spurensicherers keine Sekunde zweifelte – getötet. Das sollte auf einem Zufall beruhen? Unmöglich. Der Zusammenhang lag offen vor Augen.
»Was isch jetzt mit Ihne?«, hörte er die Stimme der Frau. »Kann i noch irgendwie helfe?«
Braig versuchte sich zu konzentrieren, die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Es gab nur eine Konsequenz aus dem Ganzen, das wurde ihm von Minute zu Minute klarer: Er musste sich bei den Kollegen vor Ort über den Vorfall informieren und dann, sollten sich die Zusammenhänge bestätigen, persönlich um die Angelegenheit kümmern. »Ja, Sie können mir helfen«, erklärte er deshalb, »ich benötige die Adresse. Wo finde ich Ihre Firma?«
»Hano, Sie send gut. Jetzt saget Se bloß, Sie hent no nix vo uns ghört. Fitterlings Hausgmachte aus Geigelfinge. Mitte im Ort. Uns kennet Se gar net verfehle!«
Keine Stunde später sah Braig sich von einer ausgelassen den Hochzeitstag eines älteren Paares feiernden Gesellschaft umringt. Er hatte sich bei den Kollegen des Hechinger Polizeireviers nach den Hintergründen des Todes von Christian Fitterling erkundigt, hatte von ihnen die Bestätigung erhalten, dass der Mann nach den Erkenntnissen der Spurensicherung und dem vorläufigen Befund des Gerichtsmediziners am späten Vorabend zwischen 20 und 23 Uhr absichtlich von einem Auto von der Straße abgedrängt und dabei zu Tode gekommen war.
»Fitterling war zu Fuß unterwegs?«, hatte er sich erkundigt.
»Nein, mit seinem Wagen. Die Überreste des Fahrzeugs wurden samt seiner Leiche heute Morgen am Waldrand unterhalb der Geigelfinger Steige entdeckt. Das Auto war völlig demoliert. Die Stelle, an der es von der Fahrbahn abkam, liegt etwa achtzig Meter
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