Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
eingerastet, der Motor ausgeschaltet. Der Mann sollte leiden, nicht sterben.«
»Leiden«, wiederholte Braig.
»Eine Art Folter«, bekräftigte der Kollege, »brutale Folter. Der war ja völlig hilflos. Er konnte zu keinem Zeitpunkt abschätzen, ob die Einstiegshilfe hält oder ob er nicht doch in dieser widerlichen Brühe ertrinkt. In solch einer Situation bist du zu keinem vernünftigen Gedanken fähig. Dein Verstand ist völlig ausgeblendet. Panik, der war garantiert die ganze Zeit über in totaler Panik.«
»Dann handelt es sich wohl um einen Racheakt, ja?«
»Was weiß ich? Um das Motiv musst du dich kümmern, nicht ich.«
»Und wieso hat der eine Einstiegshilfe in seiner Badewanne? Ist der behindert?«
»Keine Ahnung«, antwortete Dolde. »Von einer Behinderung haben wir nichts bemerkt. Aber noch ist die Identität des Mannes ja nicht geklärt, oder? Vielleicht handelt es sich bei dem Opfer gar nicht um den Wohnungsinhaber.«
»Das müssen wir erst noch überprüfen, ja. Seltsam ist das mit der Einstiegshilfe schon. Oder kann die der Täter erst eingebaut …“
»Nein, das bestimmt nicht. Die Halterung hier am Wannenrand zeigt Spuren der Abnutzung. Die ist schon eine Weile hier drin. Mehrere Monate bestimmt.«
»Was ist das für ein Zeug in der Wanne?«, fragte Neundorf mit vom Ekel verzogener Miene. »Irgendwelche gefüllten Nudeln oder so etwas?«
»Maultäschle«, antwortete Rössle. »Und i würd mol sage: Koi schlechte Sorte.«
»Meinst du?« Sie rümpfte die Nase, warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Also, besonders appetitanregend finde ich den Duft nicht gerade.«
»Die send jo au kalt. Maultasche ghöret kocht und in heißer Brühe serviert, no riechet se au lecker. Aber der oder die Verbrecher hent jo anderes damit vorghabt.«
»Wo bekamen sie diese Massen her? Ich meine, normalerweise gibt es die doch nur in kleineren Portionen zu kaufen, oder?«
»En richtiger Schwob kauft koi Maultasche, der macht se selber!«, maulte Rössle. »Aber garantiert kriegsch se auch in große Portione. Wirtschafte und Großküche, die werdet scho wisse, wo des Zeugs zu finde isch.«
»Wo ist die Kamera?«, mischte sich Braig ins Gespräch. »Die Webcam?« Er bemerkte Doldes Fingerzeig, schaute nach oben zur Wand über der Badezimmertür, sah die kleine Apparatur. »Sie ist noch in Betrieb?«
Der Spurensicherer schüttelte den Kopf. »Wir haben sie ausgeschaltet. Sofort, noch bevor wir den Mann aus der Wanne befreit hatten. Das Verbindungskabel zum Laptop haben wir auch schon entfernt. Damit niemand drüber stolpert. Es liegt nebenan im Nachbarraum, samt dem Gerät. Keine Angst, wir haben alles fotografiert, so wie wir es angetroffen haben.«
»Das Zeug stammt vom Täter?«
»Der Laptop gehört wohl dem Wohnungsinhaber. Er trägt einen Aufkleber: Roland Allmenger. Aber wir haben ihn noch nicht überprüft. Die Kamera? Keine Ahnung. Vielleicht kommt sie wirklich vom Täter. Sie ist jedenfalls nur notdürftig mit starkem Klebeband festgemacht. Wir müssen sie noch genauer untersuchen.«
»Sie hat keine besonderen Merkmale?«
»Es handelt sich um ein besseres Fabrikat, wenn du das meinst. Aber du erhältst sie trotzdem in fast jedem Computerladen oder fast jedem Versand.«
»Das heißt, sie wird uns nicht viel weiterhelfen.«
»Ich fürchte, nein. Fast schon ein Allerweltsprodukt heute. Gute Technologie, wie gesagt, ja, aber …«
Die fremden Stimmen im Vorraum ließen ihn verstummen. »Sind wir hier richtig bei Allmenger? Ich bin der Notarzt, wir wurden gerufen.«
Braig lief zur Diele, sah einen kleinen, in hellem Signalrot gekleideten Mann und eine blau gewandete, junge Frau im Schlafzimmer der Wohnung verschwinden. Er folgte ihnen, stellte sich vor, informierte sie darüber, was geschehen war.
Der Arzt begutachtete das Opfer, schüttelte dann mit vor Überraschung weit aufgerissenen Augen den Kopf. »Mein Gott, wer macht denn so etwas?«, fragte er, den Kommissar mit seinem Blick taxierend. »Sie wissen, wer dafür verantwortlich ist?«
»Leider nicht«, bekannte Braig. »Wir konnten bisher ja nicht einmal mit ihm sprechen.« Er wies mit einer kurzen Handbewegung in die Richtung des Opfers.
Der Arzt öffnete einen kleinen, weißen Koffer, griff nach einer in Klarsichtfolie verpackten Ampulle. »Damit werden Sie auch noch etwas warten müssen«, erklärte er dann. »So leid es mir tut, der steht unter Schock. Ich werde ihm ein leichtes Sedativum verabreichen, das scheint mir notwendig. Und
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