Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
mit großen Ausrufezeichen versehener Blätter begraben, die Faxablage mit einem dicken Stapel automatisch in Empfang genommener Papiere gefüllt, sein virtuelles Postfach mit einem kompletten Dutzend fast gleich lautender Mails bestückt, als Braig am Samstagmorgen kurz nach zehn sein Büro betrat. Er musste gar nicht erst nachschauen, wusste ohne jede Nachprüfung, wer der Absender und was ihr gemeinsamer Inhalt war.
Neundorf hatte ihn am Vorabend auf seiner Rückfahrt von Geigelfingen telefonisch vorgewarnt und ihm dringend empfohlen, keine Zwischenstation im Amt einzulegen, sondern sich auf direktem Weg nach Hause zu begeben. »Der Evaluationseffizienzoptimierer sucht dringend nach Details, um die mörderischen Furien Frau Svedholm und Frau Senges verhaften zu können. Ich habe ihm nur einen knappen Bericht gemailt, absichtlich, damit er keine Handhabe hat, etwas gegen sie zu unternehmen. Seither bin ich für ihn nicht mehr erreichbar. Jetzt versucht er es garantiert über dich.«
Braig hatte sich über die Worte seiner Kollegin nicht weiter gewundert, waren doch auf seiner Mailbox, die er im Anschluss an das ausführliche Gespräch mit Michael Fitterling abgehört hatte, vier fast gleich lautende Anfragen bei ihm eingegangen.
»Hier ist das Sekretariat von Herrn Staatsanwalt Söderhofer. Der Herr Staatsanwalt wünscht dringend, mit Ihnen zu sprechen. Er fordert Sie auf, umgehend zurückzurufen.«
»Hier ist noch einmal das Sekretariat von Herrn Staatsanwalt Söderhofer. Der Herr Staatsanwalt«, die weibliche Stimme war verstummt, stattdessen aus dem Hintergrund ein stakkatoartiges, männliches Bellen zu hören. »Wo sind der Kerl oder das grauenvolle Weib? Schaffens’ mir einen von den beiden Loosern endlich her!« Erst im Anschluss an diese Unterbrechung war die weibliche Stimme, jetzt mit etwas angespanntem Unterton, wieder zu Wort gekommen. »Der Herr Staatsanwalt wünscht dringend mit Ihnen zu sprechen! Ich wiederhole: Dringend! Rufen Sie umgehend zurück!«
Obwohl ihm die Sekretärin leid tat, war Braig der Empfehlung Neundorfs gefolgt. Zu Hause hatte er die schriftliche Warnung Ann-Katrins vorgefunden, erst nach gründlicher Prüfung der Nummer des Anrufers im Display ans Telefon zu gehen, weil »die Sekretärin des Oberevaluierers, du weißt schon, wer« ihn unablässig zu sprechen verlange.
Er hatte sich jeden Kontakt mit Söderhofer erspart, stattdessen die Kollegen der Abteilung Wirtschaftskriminalität Ausland beauftragt, den Leumund des italienischen Konzerns zu überprüfen, der der Firma Fitterling das Kaufangebot hatte zukommen lassen.
»Ist es vorstellbar, dass die in irgendeiner Weise mit Mafia-Methoden arbeiten?«, hatte er sich erkundigt.
»Du meinst Erpressung, um den Kaufpreis zu drücken?«
»Beeinträchtigung des Rufs der erwünschten Firma, um sie zum Verkauf zu zwingen oder damit den Kaufpreis zu drücken, ja.«
»Das ist gang und gäbe«, hatte Jan Ohmstedt, der im letzten Jahr ins Ressort Wirtschaftskriminalität gewechselte Hauptkommissar erklärt, »auch bei uns, nicht nur in Italien.«
»Auch, dass die dabei über Leichen gehen?«
»Prinzipiell würde ich das von meiner Erfahrung her nicht ausschließen. Wir haben mehrere solcher Fälle vorliegen, können aber nichts beweisen. Bisher sind das offiziell nur Vermutungen, denn jede dieser Aktionen ist ungemein clever eingefädelt. Du darfst nicht vergessen, um welche Summen es dabei oft geht.«
Er hatte den Kollegen gebeten, ihm die Beurteilung des Konzerns möglichst bald zukommen zu lassen, hatte sie an diesem Samstagmorgen in seinem virtuellen Postfach vorgefunden. Ohmstedt war ausführlich auf die Geschäftspraxis des italienischen Konzerns eingegangen, soweit sie ihnen bekannt war, hatte zudem sämtliche Tochtergesellschaften samt der dabei jeweils vollzogenen Kauf- und Übertragungsmodalitäten aufgelistet, jedoch, wie er urteilte, vorläufig keinerlei Verdachtsmomente erkennen können, die die angedeutete Befürchtung rechtfertigten. »Hierbei handelt es sich natürlich um einen vorläufigen Befund. Ich werde die Prüfungen fortführen und sofort Bescheid geben, sobald ich zu anders lautenden Ergebnissen gelange.«
Braig hatte die Ausführungen überflogen, sich dann per Mail bei dem Kollegen bedankt. Die Expertise beinhaltete keine Garantie. So gründlich sie bei ihren Recherchen vorgingen, auch sie kochten nur mit Wasser, das wusste er aus Erfahrung. Wenn bisher keine nachteiligen Informationen über den
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