BRAINFUCK
inneres Frieren. Fieberschauer jagen über meine Haut und die Muskeln zittern unkontrolliert.
»Scheiße, das hat mir gerade noch gefehlt!«
Meine Stimme knarrt wie eine schlecht geölte Tür, und als ich mich aus der Decke schäle, bemerke ich die pochenden Schmerzen in meinen Wunden. Ich quäle mich zum Ofen, heize ihn an und setze den Wassertopf auf. Im Verbandskasten finde ich Schmerzmittel, schlucke zwei der Tabletten und lege mir frisches Verbandszeug zurecht.
Nachdem ich die Ellbogen und den linken Handballen mit sauberen Binden versorgt habe, versuche ich den Stoff der Hose an meinen Knien einzuweichen und abzulösen – vergeblich! Das Gewebe ist tief ins Fleisch gepresst und mit verkrustetem Blut überzogen. Ich schneide das Material rund um die offenen Stellen ab und reinige sie bestmöglich.
Diese Tätigkeit erschöpft mich dermaßen, dass ich mich auf die Pritsche legen muss. Fieberschleier wabern durch mein Blickfeld und aus den Augenwinkeln heraus glaube ich, ein Flirren an der Stelle zu sehen, an der das Ding lehnt. Als ich den Kopf drehe, um nachzusehen, klingelt das Telefon. Es ist ein scheppernder, rasselnder Ton, den sich niemand freiwillig als Klingelton auf sein Handy laden würde. Für mich klingt er nach Rettung, Zivilisation, Sicherheit und menschlicher Wärme.
»Grüß Gott, Herr Illing«, begrüßt mich eine fröhliche Frauenstimme. »Hier spricht Ursula Maurer von der Bergwacht. Wie geht's Ihnen heute?«
»Ich habe Fieber bekommen und meine Wunden entzünden sich.«
»Dann wird’s Zeit, dass wir Sie holen. Der Wetterbericht meldet für morgen Auflockerungen. Wir werden mit dem ersten Tageslicht aufbrechen und wenn alles gut geht, sind wir gegen vierzehn Uhr bei Ihnen oben.«
»Das wäre wunderbar!« Ich spüre eine Träne aus meinem rechten Auge sickern. »Ich werde hier sein«, versichere ich ihr.
Sie lacht. »Schön, dass Sie Ihren Humor nicht verloren haben, Herr Illing. Sind Sie schon einmal in einem Ackja transportiert worden?«
Ein Brummen stört die Leitung.
»Hallo?«, rufe ich in die Sprechmuschel, »Sind Sie noch da?«
Das Brummen wird stärker, ich bekomme keine Antwort.
Enttäuscht, aber glücklich über die Nachricht, lege ich auf. Der Brummton bleibt. Er kommt jetzt aus der Ecke, in welcher der Metallstab an der Wand steht, er vibriert heftig und der ganze Raum scheint mitzuzittern. Mir wird schwindelig, ich setze mich auf die Pritsche. Mein Kreislauf schlägt wilde Kapriolen. Ich lege mich hin und ziehe die Decken über mich.
*
»Wach auf!«
Die Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern und doch donnert sie wie ein Düsenjet durch meine fiebrigen Gedanken.
»Wach auf!«
Ich öffne die Augen und versuche mich zu erinnern, wo ich bin. Die Nothütte, klar! In der Mitte des engen Raumes glitzert es. Ein aus sich selbst leuchtendes Gebilde schwebt dort, wie ein schillernder, flackernder Nebel, gesprenkelt von kleinen Lichtpunkten.
Ich reibe mir die Augen, um die Schlieren zu entfernen, aber das Gebilde bleibt nicht nur, es wird sogar schärfer. Habe ich Halluzinationen? Ist die Bergwacht da?
»Was … wer …?«
Meine heiseren Worte werden von der Stimme abgeschnitten: »Schweig!«
Es fühlt sich an, als stünde ich in der Disco vor der Bassbox.
»Wir sind die Eigentümer des Gegenstands, den du gefunden hast. Wir haben ihn zurückgeholt.«
Ich versuche vergeblich, mein Denken zu ordnen. Die Luft im Raum beginnt zu schillern, wie Öl auf einer Pfütze.
»Wa … warum …?«
Mir ist bewusst, dass ich stammle wie ein Betrunkener.
»Wir gehen jetzt.«
Ein weißes, blendend helles Licht löscht mein Bewusstsein aus.
Zwei sind Eine zu viel
„Aus den Trümmern unserer Verzweiflung bauen wir unseren Charakter.“
(Ralph Waldo Emerson)
»So wird das heute nichts mit uns, Schätzchen.«
Tinas beißender Spott tat ihm körperlich weh. Was für ein Unterschied zu der sanften, verständnisvollen Vanessa! Hergen steckte in einer Zwickmühle, auf welche die Bezeichnung ›Quetschmühle‹ wesentlich besser gepasst hätte.
Er liebte sie beide. Auf verschiedene Art, jede von ihnen für ihre Vorzüge. Tina, das Klasseweib, mit den vollendeten Formen und dem sinnlichen Mund. Ihr Körper brachte ihn regelmäßig an den Rand des erotischen Wahnsinns, trieb ihn in Gefühlsuniversen, die er früher nicht zu erahnen gewagt hatte.
Leider war er mit siebenundfünfzig Jahren in einem Alter, in dem die Hardware nicht mehr bei jedem Einsatz den Grad an Härte
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