BRAINFUCK
erreichte, der notwendig war, um Tina befriedigen zu können. Und in solchen Momenten zeigte sich ihr wahres Wesen. Vor Sarkasmus triefende Ironie und schneidender Zynismus tropften wie ätzender Geifer von ihren herrlichen, vollen Lippen. Sie warf ihr schwarzes, schimmerndes Haar in den Nacken.
»Ich zieh mich besser mal an und fahr nach Hause.«
Er erwiderte nichts, um sie nicht noch mehr herauszufordern, aber sein Schweigen schien sie erst recht anzustacheln. Sie schlüpfte in die Träger ihres BHs und schloss mit lasziven Bewegungen die Häkchen.
»Heute Abend schicke ich dir den Link zu der Online-Apotheke, bei der es Viagra im Sonderangebot gibt. Wäre doch gelacht, wenn wir dein Schlappschwänzchen nicht zuverlässig zum Stehen bekommen«, spottete Tina.
Sie griff nach ihrer Bluse und ließ den Stoff spielerisch durch sein Gesicht gleiten, bevor sie hineinschlüpfte und sie zuknöpfte. Das sadistische Grinsen wollte nicht aus ihrem Gesicht weichen und störte die feinen Züge, wie das Dröhnen einer Sirene einen Sonntagmorgen. Auf eine abartige Weise erregte ihn ihre Ablehnung, und als sie sich mit einem Griff in seine Weichteile verabschiedete, konnte er ein wohliges Stöhnen nicht unterdrücken.
»Ruf mich an, wenn die kleinen blauen Freunde angekommen sind«, zwitscherte sie in das Geräusch der sich schließenden Tür.
Hergen schlich ins Bad und wusch sich das Gesicht. Als er sich sauber fühlte, sammelte er seine Sachen ein und verließ das Hotelzimmer. Er bezahlte unter den verdutzten Blicken der Angestellten die Rechnung und kehrte dem Hotel den Rücken. Die geplante Nacht war auf eineinhalb Stunden geschrumpft. Als er ins Auto stieg, überlegte er, was er Vanessa erzählen sollte. Er würde ihr irgendeine Geschichte auftischen und sie würde alles glauben.
Vanessa glaubte ihm immer, hatte für alles Verständnis und war für ihn da, wenn er sie brauchte. Freundlichkeit, Optimismus, Hilfsbereitschaft und unerschütterliche Treue kennzeichneten ihr Wesen. Sie beschwerte sich auch nie, wenn sein kleiner Hergen nicht funktionierte, wie er sollte. Ihrem Körper waren die fünfundvierzig Lenze deutlich anzusehen und eine Veranlagung zu schwachem Bindegewebe sorgte dafür, dass die Schwerkraft ihren Tribut nicht nur forderte, sondern auch bekam.
Sie hatte mit ihm zusammen den Gastronomiebetrieb aufgebaut, der inzwischen als einer der besten der Stadt galt. Die jahrelange Arbeit hatte sichtbare Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Hergen liebte Vanessa wie am ersten Tag. Er liebte sie mit derselben Intensität, mit der er Tina begehrte. Er wünschte, es gäbe eine Waage für Gefühle. Dieses Gerät wäre ihm eine große Hilfe gewesen, um herauszufinden, zu welcher der beiden Frauen er sich mehr hingezogen fühlte.
*
Vanessa hatte den Mercedes gehört und öffnete ihm die Haustür. Die Wärme und Geborgenheit, die ihm entgegenströmten, hüllten ihn wie ein warmer Mantel ein und wischten die negativen Gefühle beiseite.
Nachdem sich Hergen seine Lieblings-Jogginghose und ein T-Shirt übergestreift hatte, lümmelte er sich auf die Couch und zappte durch die Fernsehprogramme. Bei der Wiederholung eines älteren Krimis blieb er hängen. Vanessa schnappte sich ihr Kissen und setzte sich auf ihren Stammplatz zu seinen Füßen. Sie schlang den linken Arm um seine Waden und legte den Kopf auf seinen Oberschenkel. Diese Angewohnheit erzeugte ein tiefes Gefühl von Sicherheit. Er streichelte, wie immer, ihr aschblondes Haar, und während sich der Kommissar auf dem Bildschirm eine wilde Verfolgungsjagd mit einem Verbrecher lieferte, drehten sich seine Gedanken im Kreis.
Er würde sich entscheiden müssen. Aber für wen? Oder besser – gegen wen? Entschied er sich gegen Vanessa, würde sie daran zerbrechen. Trotz aller, in ihr wohnender Sanftmut, würde sie den Kampf um den Betrieb aufnehmen. Sein – nein, ihr – gemeinsames Lebenswerk stand auf dem Spiel.
Gab er Tina den Laufpass, konnte er sich gewiss sein, dass sie nicht weinend kapitulieren würde. Zimperlichkeit in der Wahl ihrer Mittel war keiner ihrer Charakterzüge, das war ihm klar. Sie würde ihn verraten, öffentlich demütigen, ihm die Hölle auf Erden bereiten. In einem Winkel seines Gehirns flüsterte eine leise Stimme ›Egoist!‹
Ja, das war er. Das musste er sein. Wenn er aus dieser Nummer nicht herauskam, ohne jemand anderen zu verletzen, wollte wenigstens er dieses Dilemma weitgehend unbeschadet überstehen.
Der Kommissar prügelte
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