BRAINFUCK
ich Ihnen bringen?«, fragt er mit unverkennbar schweizerdeutschem Akzent.
»Einen Cappuccino«, bestellt Martin für sie, »bitte ohne Schokostreusel!«
Der Kellner wartet kurz ihr zustimmendes Nicken ab und entschwindet in Richtung Bar.
»Daran kannst du dich noch erinnern?«, fragt Claudia überrascht.
Seine Augen suchen die ihren. »Ich kann mich an ziemlich viel von dir erinnern.«
Der leicht zweideutige Ausdruck in seinem Lächeln lässt eine Gänsehaut auf ihrem Rücken entstehen. Sie bemerkt, dass sie ihn will, wie sie Albert wollte.
»Du hast also an mich gedacht?« Sie stellt diese Frage, obwohl sie die Antwort zu kennen glaubt. Wie sie jeden Satz, jede Bewegung, jeden Gedanken kennt, den es in diesem Spiel gibt. Sie hat es so oft gespielt, dass sie vorausahnen kann, was als Nächstes gesagt wird. Es ist ihr Spiel. Sie kennt es und sie führt es. Sie ist diejenige, welche die Regeln bestimmt! Bis es – jenseits eines gewissen Punktes – keine Regeln mehr gibt.
*
Ein Klappern holt sie in die Gegenwart zurück. Der Kellner stellt eine große Tasse mit dampfendem Cappuccino vor ihr ab und Martin gibt ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er bezahlen wird.
»Ja«, sagt er langsam, »ich habe oft an dich gedacht und mir überlegt, was sich aus uns entwickelt hätte, wenn Klaus Brückmann nicht aufgetaucht wäre.«
Sie sieht ihn an. Ihrer Meinung nach genügt dieser Blick als Antwort.
»Was ist aus Klaus eigentlich geworden?«, will er wissen. Sie sieht ihn noch immer an, hat das Gefühl in seinen Augen zu versinken.
»Sag schon Claudia«, bohrt er nach.
»Ach den Klaus … den hab ich irgendwann aus den Augen verloren.«
Was für eine schöne Frau sie ist. Aus der schlaksigen 20-jährigen ist eine reife 33-jährige geworden, deren Aussehen die Jahre nicht geschadet haben – im Gegenteil.
Martin bemerkt, dass er sie anstarrt, und sie bemerkt es ebenfalls. Ein sanftes Lächeln umspielt ihre Lippen. Claudia hebt die Tasse an den Mund, trinkt einen Schluck. Mit der Zungenspitze leckt sie sich den Milchschaum von der Oberlippe und registriert, dass Martins Augen ihrer Bewegung folgen.
Diese Augen … diese wunderbaren blauen Augen.
»Erzähl«, zwingt sie sich zu fragen. »Wie ist es dir ergangen, in den letzten …«
Sie grübelt und er unterbricht sie: »Dreizehn Jahre sind es.« Und er fährt fort: »Ich musste zur Bundeswehr, und als ich wiederkam, warst du verschwunden. Später hab ich den Beruf gewechselt und bin nach Wiesbaden gezogen.«
»Ich finde es wunderbar, dass wir uns jetzt hier treffen.« Ihre braunen Augen leuchten und er kann sich nur schwer von diesem Blick losreißen.
»Ja, das finde ich auch«, antwortet er mit leicht brüchiger Stimme, die seine Gefühle verrät. Er ist fasziniert von dieser Frau, obwohl ihm sein Kopf sagt, dass es nicht sein darf.
Der Kellner tritt an den Tisch: »Darf ich Ihnen noch ein ›Züri‹ bringen?«
Wie Kinder, die bei einem verbotenen Spiel ertappt wurden, fahren sie auseinander. Sie waren sich sehr nahe gekommen und um ein Haar hätten sich ihre Hände berührt.
»Ja bitte!« Martin nickt dem Kellner zu und reicht ihm sein leeres Glas.
Claudias Hände liegen auf dem Tisch, er legt seine daneben und streicht mit dem Daumen leicht über ihren Handrücken. Verdammt, was tust du da , weist er sich zurecht, kann aber nicht aufhören. Ihre warme, weiche Haut ist zu verführerisch. Dass der Kellner zurückkommt und das bestellte ›Züri Hell‹ auf den Tisch stellt, bemerken beide nur am Rande.
*
Obwohl Claudia auf eine Berührung vorbereitet war, überraschte sie ihre heftige Reaktion. Von ihrem Handrücken zuckt ein Impuls los, der den Arm hochschießt, sich über ihre Seiten zum Bauch fortsetzt und zwischen ihren Beinen ein heftiges Kribbeln hinterlässt. Ihre Blicke fressen sich so stark ineinander, dass dort, wo sie sich treffen, eigentlich ein Punkt glühender, plasmatisierter Luft entstehen müsste. Sie streift sich den linken Schuh vom Fuß und berührt mit der Sohle Martins Knöchel. Langsam lässt sie ihre Zehen unter den Saum seiner beigefarbenen Hose wandern und streichelt mit den Fußballen zärtlich seine Wade.
In Martins Kopf explodieren Bilder von nackten, verschwitzten Körpern. Es sind ihre Körper. Mit einem leichten Kopfschütteln versucht er, die Visionen von hemmungslosem Sex zu verscheuchen. Es gelingt ihm nur unzureichend. Er hat begonnen, mit Claudias Fingern zu spielen. Er weiß, dass er zu weit geht,
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