Bran
erhob sich der monströse Bau des Mausoleums. Sie mussten nur die Magistrale überwinden.
Cejla hielt ihm eine Gasse frei. Er folgte blind dem Rhythmus ihrer Schritte, während er durch blutige Nebel wahrnahm, wie der Verkehr um sie herumbrandete. Dann standen sie vor dem geschmacklosen Gebäude, das der Verherrlichung des alten Khans gewidmet war und das wie ein einziger riesiger Sarkophag aussah. Ein Grab für einen Übermenschen.
Wenn das Wissen nicht zu ihm kam, musste er es eben holen.
Seine Assistentin hatte die Hände in die Hüften gestützt und den Kopf in den Nacken gelegt. Jetzt starrte sie zu den grobschlächtigen Säulenreihen empor, als sehe sie sie zum ersten Mal. Straner wurde nicht schlau aus ihr. Einmal war sie hilfsbereit, dann wieder verstockt. Auf dem Zimmer hatte sie wie eine Musterschülerin für ihn recherchiert. Jetzt weigerte sie sich, ihm ein paar Daten und Jahreszahlen zu nennen, die hier jedes Schulkind auswendig herunterleiern konnte. Waren das Launen oder lag dahinter eine Strategie verborgen? Launig war sie ihm bis jetzt eigentlich nicht vorgekommen. Lediglich gab es Nuancen in den Abschattungen ihrer Kühle.
Kaum hatten sie mit der Betrachtung des Monuments begonnen, als sich ein Mann aus dem Schatten der Säulenreihen löste und ihnen seinen Dienste anbot. Die rohen Gesichtszüge mit der wulstigen Stirn und der fleischigen Nase wiesen ihn als Kirgoler aus. Seine Uniform und seine Orden waren nur geringfügig weniger zerschlissen als die des Bettlers, den sie vorhin gesehen hatten. Ein Veteran der Salzkriege. Er sprach einen grauenhaften Dialekt. Straner musste die Dolmetschfunktion seiner Schläfenimplantate zu Hilfe nehmen.
Nach einem Rundgang um die pompöse Außenseite des Denkmals, dessen Reliefs die Heldentaten des alten Khans in den Tagen der kriegerischen Auseinandersetzungen um Panesh und die anderen abtrünnigen Welten verherrlichten, gingen sie ins Innere. Hier war es kühler. Ein gedämpftes Licht lag auf dem von tausend Schulklassen abgeschliffenen Marmor und dem monströsen gläsernen Sarg. Ihr Führer hatte ehrfürchtig zu flüstern begonnen. Straner schob sich an den Katafalk heran. Auf Kissen aus serafidischer Seide, die einmal weiß gewesen war, im künstlichen Licht aber das Gelb ungepflegter Zähne angenommen hatte, ruhte der einbalsamierte, vollständig mumifizierte Leichnam Iban Mogul Khans des Großen, des Helden der Salzkriege. Hart standen die schweren Wangenknochen hervor. Einsam ragte eine riesige Nase aus dem eingefallenen Gesicht. Das schwarze Haar war spröde. In einem Luftzug würde es zerbröseln. Die ledrigen Hände, die auf der Brust des Toten gefaltet waren, wirkten uralt, als wären sie im Tod immer noch weiter gealtert, während der Leichnam selbst das beinahe jugendliche Aussehen eines Mannes bewahrte, der in seinen besten Jahren dahingerafft worden war.
»Wie ist er gestorben?« Straner wusste nicht, ob es schicklich war, an dieser Stätte so unverblümt zu fragen. Aber darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen.
»Aber das weiß doch jedes Kind.« Der Veteran tat verblüfft.
»Ich bin nicht von hier«, entschuldigte sich Straner.
»Wo kommt Ihr denn her?« Der Alte nuschelte durch das, was von seinen Zähnen übrig war, und glotzte Straner aus wässrigen Augen an.
»Ich bin Händler von Kirgol.«
»Kirgol?« Jetzt lebte der Alte auf. »Als Stoßtruppführer habe ich ein Spezialkommando auf Kirgol geleitet. Man sieht es mir jetzt vielleicht nicht mehr an, aber ich war Elitesoldat. Mit einem persönlichen Eid auf diesen Mann dort eingeschworen, den Großen Khan!«
Straner ließ eine mehrminütige Schilderung der Einnahme der Großen Kasbah auf Kirgol über sich ergehen, bei der sein Cicerone eine maßgebliche Rolle gespielt hatte. Er war nach dem Unternehmen vom Khan selbst ausgezeichnet und belobigt worden.
»Es wundert mich, dass Ihr davon noch nie gehört habt!«
»Vielleicht habe ich davon gehört.« Straner bemühte sich um diplomatische Sensibilität. »Ich glaube, wir haben es auf der Akademie gelernt. Es ist ja schon sehr lange her.«
»Das ist es allerdings.« Der Veteran nickte vor sich hin, in seine heroischen Erinnerungen verloren. »Ich vergesse immer, wie alt ich bin und dass Ihr jungen Leute keine Ahnung mehr von diesen Dingen habt.«
Straner lächelte gequält. Aus dem Augenwinkel nahm er Cejla wahr, die dieses Gespräch mit einem süffisanten Zucken in den Mundwinkeln verfolgte.
»Um auf die Umstände seines
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