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Bran

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Titel: Bran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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Fremdenführerin hinzu. »Er fiel einem Attentat zum Opfer.«
    Mit einem Satz war er neben ihr. »So etwas sagst du mir jetzt?«
    »Was?«
    »Na das!«
    »Du hättest ja fragen können.«
    Ihm wurde bewusst, wie schmal ihre Schultern waren.
    »Ich wusste ja nicht, dass es da etwas zu fragen gibt.« Straner versuchte, sich nicht von Verzweiflung übermannen zu lassen.
    »Ich kann ja nicht wissen, was dich interessiert.« Sie zog die Mundwinkel hoch wie eine belagerte Festung die Zugbrücke. Er wusste nicht, womit er es sich bei ihr verdorben hatte. Aber sie schaltete auf stur.
    Straner seufzte. »Mich interessiert alles! Alles, was Licht in dieses Chaos bringt.«
    »Das sind wir für euch: rückständiges Chaos.«
    »Leicht macht ihr es einem nicht.«
    »Vielleicht helfen sie dir da drin weiter.«
    Sie traten ein. Eine monströse Vorhalle. Auch hier Plastiken von Kämpfern und martialisch anmutendes Gerät. Sie waren angemeldet und bekamen den Uplink überspielt, mit dem sie sich direkt ins Archiv einwählen konnten. Straner ließ sich an einem der Arbeitsplätze nieder.
    »Soll ich dir helfen?« Cejla war vor einer Statue stehen geblieben und betrachtete diese interessiert: das Standbild eines Kriegers in der traditionellen Tracht der Nomaden von Zhid. Er fuchtelte mit einer armlangen Strahlenwaffe herum und brüllte unhörbare Kommandos.
    Das Archiv war eine Farce. Es kostete Straner nur wenige Minuten, das herauszufinden. Die Daten waren gesperrt oder nutzlos. Sammelsurien von militärischen Berichten, unvollständigen Aufstellungen von Wirtschaftsdaten, im Sagenton gehaltene Stammesfehden, endlose Protokolle von Sitzungen der verschiedenen Komitees, die Hälfte der Informationen unlesbar gemacht.
    Die ganze Institution war kaum mehr als eine Attrappe, darauf berechnet, dass niemand es jemals so genau nehmen würde. Er stand auf und erkundete das physische Archiv. Hekatomben von alten Papyri, die angeblich die Geschichten der verschiedenen Völkerschaften dokumentierten. Das meiste davon rottete vor sich hin, dem mörderischen Klima preisgegeben. In einem Raum war die Luft gefiltert, im nächsten nicht. Schimmel schlug sich nieder, in manchen Ecken rieselte Feuchtigkeit. Die Vitrinen waren nicht hermetisch. Rost fraß an den Abdeckplatten. Es gab keinen verlässlichen Katalog, keine halbwegs vernünftig wirkenden Ordnungsprinzipien.
    Ein Saal bestand aus Fresken und Höhlenmalereien, die man mitsamt dem Fels, der sie trug, hierher verfrachtet und aufwendig installiert hatte. Aber der Stein bröckelte, und die Farben verblassten wie Götter, die man von ihren Kulten abgeschnitten hatte und die nun langsam ins Weltall diffundierten. Manche Aufschriften waren in der Amtssprache, der er halbwegs mächtig war, manche in Dialekten, die er nicht lesen konnte. Masken von Stammeshäuptlingen und Schamanen vermoderten im fahlen Licht der Gleichgültigkeit. Absurde Anhäufungen von Orden und Urkunden priesen die Heldentaten von Generälen, deren Namen längst verblichen waren.
    »Und?« Cejlan war noch immer in die Betrachtung des anonymen Kriegshelden versunken, als er sich in die Haupthalle zurückschleppte.
    »Das ist sehr traurig.«
    »Die ruhmreiche Geschichte unseres Volkes?«
    »Jedes Exponat kündet davon, was ihr für tolle Kerle seid, aber sein Zustand belehrt einen eines Besseren.«
    »Wir sind jung. Wir leben im Hier und Jetzt!«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wir brauchen kein Museum.«
    Straner wurde den Verdacht nicht los, dass sie sich an seiner Enttäuschung weidete. Doch was hatte er erwartet?
    »Ihr habt aber eines. Dann haltet es wenigstens in Schuss!«
    Sie wischte das beiseite. »Sind wir fertig?«
    Die Kleine spielte mit ihm. Sie wusste mehr, als sie zugab, unendlich viel mehr. Warum rückte sie nicht damit heraus? Rechnete sie damit, dass er aufgeben würde? Und musste er sie wirklich tage- und wochenlang durch die Bruthitze dieses wahnwitzigen Molochs schleifen, um herauszufinden, was sie ihm in ein paar Sätzen hätte sagen können?
    Er presste die Augen in ihre Höhlen, bis er Sternchen sah. Alles schien in Falschfarben getaucht. Die künstliche Beleuchtung der Ausstellungsräume war blau im einen Bereich, hartweiß im anderen gewesen. In manchen Sälen hatte sie geflackert.
    Beinahe sehnte er sich nach Tageslicht. Aber als sie in die nackte Wut der Mittagssonne hinaustraten, bereute er die Regung sofort wieder.
    »Das ist – unanständig!«, keuchte er.
    Blinzelnd sah er sich um. Genau gegenüber

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