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Bran

Bran

Titel: Bran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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distinguierten Kreisen bis zur Lächerlichkeit kultiviert wurden.
    »Ich wüsste nicht, von wem.«
    »Sie ist mir sogar entgegengeflogen, um mich hierher zu eskortieren.« Straner ließ den Satz in der Schwebe: Er war gleichzeitig ernst gemeint und geflunkert. Dabei blinzelte er dem Wachmann fröhlich zu.
    »Sie – dir?!« Der Hüne markierte ein trockenes Lachen. Dann wandte er sich ab. Er war der Sache überdrüssig.
    »Glaubst du mir nicht?« Straner versuchte, sich an ihn zu hängen, der dem kühlen Inneren des palastartigen Gebäudes zustrebte. Der Mann blieb wieder stehen und brachte Straner auf Distanz.
    »Die Tochter unseres Herrschers eskortiert nicht«, dröhnte er. »Sie wird eskortiert.«
    »War sie das?«, fragte Straner vorlaut. »Die Prinzessin?«
    Er zwinkerte dem Großen zu, der ihn seinerseits aufmerksam musterte. Der Mann tat jetzt so, als habe er sich verplappert. Aber er spielte es wenig überzeugend. Die Information war nur als Köder ausgelegt worden, um zu sehen, wie weit Straner sich vorwagte – und wie viel er wirklich wusste.
    »Die Tochter Mordal Khans, unseres Herrn. Gott möge ihn ewig schirmen!«
    Straner hob die Schultern. »Wie war doch gleich ihr Name?«
    Der Hüne sah ihn durchdringend an. Seine Laune hielt genau die Waage zwischen Zorn und Belustigung, aber sie konnte in einem Wimpernschlag zu einer der beiden Seiten kippen. Straner war lange genug im Geschäft , um zu wissen, dass diese muskelbepackten Schießhunde nicht immer so einfältig waren, wie man sie sich unwillkürlich vorstellte.
    Mit Gewalt kam er so oder so nicht an ihm vorbei, abgesehen davon, dass er seinen Auftrag dann begraben konnte, bevor er richtig angefangen hatte.
    »Ihr Name?« Straner blinzelte.
    »Dein Leib möge verdorren!« Die Augen des Wachmanns waren stählerne Murmeln. Erst in diesem Moment kam Straner der Gedanke, dass er vielleicht gar kein Mensch, sondern ein Bot sein könne.
    »Ich glaube nicht, dass eine Prinzessin so heißt«, sagte er munter.
    Der Hüne starrte ihn an. Während des ganzen Wortwechsels hatte in seinem Gesicht kein einziger Muskel gezuckt. Das änderte sich auch jetzt nicht, als er hinzufügte: »Manche sagen, sie sei die Tochter einer Hure und eines Dahergelaufenen!«
      
    Er taumelte aus dem Büro des Zollbeamten und fand sich auf dem Grund einer Seitenstraße wieder. Die Gerüche dieser Welt schlugen über ihm zusammen, als sei er in einen Bottich Abwaschwasser gestürzt. Ein Brodem von Schlachtereien, Bordellen, dem spratzenden Fett offener Garküchen – legaler und illegaler –, Ausdünstungen menschlicher Leiber, Düfte von Esswaren, Gewürzen, künstlichen Parfums. Dazu die Abgase von Millionen schlecht gewarteter oder ohne Zulassung betriebener Scooter. Jede Ingredienz des Dunstes überschwemmte sein Hirn mit Bildern und Assoziationen. Er fühlte seinen Geist ächzen, als wolle er unter der Last der zahllosen und unerbetenen Informationen zusammenbrechen wie ein Tragtier unter zentnerschweren Ballen. Bis er die Einreiseformalitäten geregelt hatte, die undurchdringlich und zeitraubend waren und bei denen der geringste Argwohn, man könne sie abkürzen wollen, alles noch viel mehr in die Länge zog, war es Abend geworden. Er war im harten Mittagslicht gelandet. Jetzt brach die tropische Dämmerung mit heimtückischer Wucht herein.
    Straner tat einige ziellose Schritte, um sich zu remontieren. Hoch über ihm war ein schmaler, gezackter Ausschnitt freien Himmels sichtbar. Nachtblau und dunkel. Der Smog und das Streulicht der Megalopole ließen nur wenige Sterne sichtbar werden, obwohl die Luft jenseits der Dunstglocke der Stadt klar war. Ein gläserner Wüstenhimmel, von dem Ahnungen frischer Kühle sich in die dröhnenden Canyons der Straßen senkten wie köstliche Wohlgerüche von den Fransen und Troddeln des Saris einer Tänzerin.
    Er ließ sich treiben. Kam in Durchgänge und Passagen. Wurde geschoben und aus dem Weg gerempelt, dann wieder vorwärts gesogen von unbekannten Attraktionen. Der Himmel war irgendwann unsichtbar geworden. Es ging unter Baldachinen und weit auskragenden Pagodendächern dahin. Die Finsternis vertiefte sich. Beleuchtung gab es so gut wie nirgends. Die Energieversorgung des Stadtteils schien zusammengebrochen. In den Buden, Ständen und halb offenen Läden – kubikmetergroße Boxen , in denen die Verkäufer zwischen den Stapeln und Paketen ihrer Waren kauerten – brannten kleine Öllichter, Räucherstäbchen und andere rituelle

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