Brandbücher - Kriminalroman
vorab mitgeteilt, dass der Inhalt der Karten nicht ohne Rücksprache veröffentlicht werden darf. Ein Schreiben unseres Anwalts müsste heute in Ihrem Posteingang gewesen sein.« Martins Bruder hatte empfohlen, einen solchen Brief zu schreiben, damit die Zeitungsredaktion nicht unautorisiert Auszüge veröffentlichte. »Wo lebt Ihr Cousin denn heute?« Karina konnte es nicht lassen. Nach kurzem Zögern gab er ihr die Adresse in der Schweiz durch, die sie bereits besaß. »Bevor Sie auch die Leute in der Praxis meines Cousins aufhetzen.«
»Ach, Ihr Cousin ist weiterhin Mitinhaber der Praxis?« Das war Karina neu, sie wusste nur, dass er verschwunden war. Ende der 80er-Jahre. In ihrem Kopf fügten sich zwei weitere Puzzleteile zusammen. Ende der 80er war der Artikel von Pelle Maibaum über Bruno Schulze-Möllering und dessen braune Vergangenheit erschienen. Das war 1988.
»Ist Ihr Cousin 1988 direkt in die Schweiz oder erst woanders hin?« Karina beglückwünschte sich zu dieser geschickten Frage. Vielleicht hatte sie Glück und Jo Tengelkamp bestätigte ihr mit seiner Antwort ihre Theorie.
Der Verleger antwortete: »Er war zunächst ein paar Jahre in Lörrach, ehe er ein Angebot aus Luzern angenommen hat.«
Vielen Dank, dachte Karina und verabschiedete sich freundlicher von dem Verleger, als sie wollte. Immerhin hatte er ein wenig zur Klärung beigetragen. Sie hoffte, dass das Telefonat mit Hanno Möllering endgültig Licht ins Dunkel brachte. Bislang war unklar, warum er seinen Namen geändert hatte. Aus reinem Vergnügen war das sicher nicht geschehen.
Das Telefonat mit Jo Tengelkamp motivierte Karina, schnell mit den Aufräumarbeiten weiterzumachen. Nicht, dass sie unbedingt bald abreisen wollte, sie mochte nicht daran denken, was aus ihr und Martin werden sollte, wenn sie wieder nach Stuttgart zurück musste. Aber noch hatte sie Zeit, die Bewerbungen liefen.
Im Haus der Großtante angekommen, versuchte sie als Erstes, Hanno Möllering zu erreichen. Seine Sekretärin teilte ihr jedoch mit, dass er zu einem Kongress gereist war.
Also wandte sie sich den Büchern zu, die nach dem Einbruch noch immer auf dem Boden lagen. Sie hatte einmal gelesen, dass jemand Geld oder geheime Dokumente in Büchern versteckt hatte. Es fehlte weiterhin ein Hinweis ihrer Großtante, was genau geschehen war, ehe sie Deutschland verlassen hatte. Karina packte ein Buch nach dem anderen in einen Umzugskarton. Ihre Schwester hatte darum gebeten, dass sie die Bücher sichten durfte, ehe sie ins Antiquariat gingen. »Vielleicht sind wertvolle Erstausgaben dabei«, hatte sie frohlockt. Da konnte sie gefälligst auch die Bücher auf versteckte Informationen prüfen. Karina entschied sich, alle Bücher einzupacken. Sie erhob sich und stieß gegen das Dürerbild, das sie auf den Tisch gelegt hatte, damit sie nicht vergaß, es mitzunehmen.
»Scheiße!«, entfuhr es ihr, als das Bild vom Tisch rutschte und auf den Boden fiel. Sie bückte sich. Erstaunt, dass die Glasplatte nicht zersprungen war. Lediglich die Klammern, mit denen die Pappe das Bild gegen die Glasscheibe drückte, waren verschoben. Als Karina das Bild aufhob, rutschte etwas aus dem Rahmen.
*
»Das ist doch kein Problem.« Bruno winkte großspurig ab. Einige Studenten aus dem Kampfausschuss, der die Bücherverbrennung organisierte, äußerten die Sorge, dass sie zu wenig Bücher hätten und es lächerlich wirken könnte, wenn sie mit einem halb vollen Handkarren durch die Straße zögen.
»Ich besorge welche«, verkündete Bruno. »Geht ihr an den Buchhandlungen vorbei. Wenn die schon öffentlich verkünden, sie wollten die Aktion unterstützen, dann sollen sie auch Bücher springen lassen.«
»In der Alphonsus-Buchhandlung waren wir schon«, entgegnete einer der Studenten. »Baader hat alles rausgerückt, was infrage kam, da bin ich mir sicher.«
»In Obertüschens Buchhandlung und bei Poertgen das Gleiche, die haben nichts mehr«, mischte sich ein anderer Student ein.
»Was ist mit der Regensbergschen und mit Thiele?« Bruno klopfte ungeduldig mit der Peitsche gegen seinen Stiefel. Er genoss es, dass der Leiter des Kampfausschusses verhindert war und er sich als Macher aufspielen konnte. Es wurde Zeit, dass seine Kommilitonen bemerkten, wer das Zeug zum Anführer hatte.
Die Studenten, die in den Räumen der Studentenschaft die Bücher sortierten, sahen sich betreten an. »Ich war nicht da«, stellte einer von ihnen fest, und es zeigte sich, dass keiner von den
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