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Brandbücher - Kriminalroman

Brandbücher - Kriminalroman

Titel: Brandbücher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Ebbert
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Kuchenheber, der die gleiche Verzierung aufwies wie die Kuchengabeln und Kaffeelöffel, das erste Tortenstück auf den Teller.
    »Das war das Kino.« Die alte Frau zeigte mit ihrer Kuchengabel auf ein Gebäude. Karina hätte das Album gerne weggezogen angesichts der Kuchenreste an der Gabel. Doch Josefa Reinermann setzte zum nächsten Kuchenbissen an. »Darauf habe ich mich richtig gefreut«, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln, das die Falten in ihrem Gesicht in Bewegung brachte.
    Karina schmunzelte. Sie hatte ihren Kuchen nicht angetastet, auch die Kaffeetasse stand unberührt vor ihr auf dem Tisch. Stattdessen betrachtete sie jedes Bild ganz genau. Den Schriftzug mit dem Namen des Kinos konnte sie nur erahnen. Neben dem Bild stand die Jahreszahl: 1928.
    »Damals war ich gerade 13 und fand es unglaublich spannend, dass mein Vater ein Kino eröffnete«, erinnerte sich Josefa.
    Karina staunte, wie schnell die 94-Jährige das erste Tortenstück gegessen hatte. »Das kann ich mir vorstellen«, überbrückte sie die Stille, als Josefa Reinermann sich ein neues Stück Kuchen auf den Teller bugsierte. »Ich erinnere mich gut an den allerersten Computer meines Vaters. Als ich eingeschult wurde, hatte kaum eine Familie einen Computer und mein Vater hat mir ein Namensschild ausgedruckt, um das mich alle beneidet haben.«
    Josefa Reinermann legte die Kuchengabel auf den Teller. »Oh ja, alle waren neidisch, dass ich immer die neusten Filme sehen konnte und alle wollten mit mir befreundet sein. Aber ich war ja nicht dumm.« Sie griff nach der Kuchengabel und schob einen weiteren Happen Torte in den Mund.
    Karina blätterte abwartend weiter und entdeckte auf der nächsten Seite ein Bild. »Das ist ja vor dem Haus meiner Großeltern, äh, meiner Großtante«, rief sie überrascht aus.
    Josefa Reinermann nickte und beeilte sich, den Kuchen hinunterzuschlucken. Sie hustete kurz, beruhigte sich wieder und sagte: »Genau. Das ist Ihre Großtante. Die hat manchmal auf mich aufgepasst, wenn meine Eltern aus dem Haus waren. Manchmal war ich auch bei ihr zu Hause.« Sie dachte nach. »Das waren dann ja Ihre Urgroßeltern. Ich erinnere mich daran, dass sie Schweine direkt neben dem Wohnzimmer hatten.« Josefa Reinermann kicherte. »Das kannte ich nicht. Ich bin ja in der Stadt aufgewachsen.« Sie lachte. »Damals gab es hier vielleicht 5.000 Einwohner.« Die alte Frau betrachtete die Fotos auf der Seite. »Das da ist übrigens Krämers Albrecht, den haben Sie doch kennengelernt, oder?«
    Karina erinnerte sich an den zahnlosen Alten mit dem Stock und konnte kaum glauben, dass das der gleiche Mensch sein sollte wie der junge Mann mit dem breiten Grinsen auf dem Foto.
    »Warum redet der immer von Zähnen?« Das war ihr bei beiden Begegnungen aufgefallen.
    Josefa Reinermann nickte bedächtig. »So genau weiß das niemand. Man sagt, er wäre als Mitläufer der Kommunisten in einem Lager gewesen und musste dort die Zähne der Juden ziehen.«
    Karina sah, wie sich die Härchen auf ihren Armen aufstellten und spürte, wie ein Frösteln über die Haut lief, als hätte ein eisiger Wind sie gestreift. Sie hatte inzwischen viel über die Zeit gelesen und wusste, dass das Zahngold der Juden zu Geld gemacht worden war. Aber sie hatte nie darüber nachgedacht, wie die Nazis an das Gold gekommen waren. Kein Wunder, dass der alte Mann die Toten ruhen lassen wollte.
    Um sich abzulenken, versuchte Karina auszurechnen, wann das Bild ihrer Tante gemacht worden war. Es musste nach 1928 gewesen sein, das Album war eindeutig chronologisch aufgebaut. Ihre Tante war also mindestens 20 Jahre alt. Sie hatte nur die Volksschule besucht und mit 14 Jahren verlassen, das hieß, sie arbeitete zu der Zeit, als das Bild entstand, schon in einem Haushalt.
    »War Tante Katharina bei Ihnen im Haushalt?« Das schien Karina am naheliegendsten.
    Josefa Reinermann schüttelte den Kopf. Sie nahm einen Schluck Kaffee und erläuterte: »Katharina ist doch gleich nach der Schule zum Doktor. Das war eine gute Stelle, die wollten alle gerne haben. Die Mädchen dort hatten ein eigenes Zimmer und sie bekamen sogar etwas Taschengeld.« Die alte Frau beugte sich vor und betrachtete das Foto. »Da waren meine Eltern auf dem Johanni-Schützenfest und wollten mich nicht mitnehmen, weil schon klar war, dass es spät werden würde. Katharina und ich waren zuerst im Park und haben Enten gefüttert, obwohl ich dafür schon viel zu groß war.«
    Karina suchte einen Weg, die Gedanken ihrer

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