Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
Vom Netzwerk:
zwischen denen mehr Bäume standen, als Thiel in Erinnerung hatte. Aber dass nach Süden hin die Insel eins schien mit der Schneeweite um sie herum, die Häuser von Vitte und Neuendorf wie ins Unendliche getupft, das kannte er. Aus früheren Wintern. Aus einer anderen Zeit. Einer, in der es guttat, wenn sich für ein paar Wochen die Welt in Eis und Schweigen hüllte.
    Thiel ging als Letzter von Bord. Aus fast vergessener Gewohnheit nickte er dem Mann an den Schotten zu und wusste, dass er ihn kannte. Dröge, fiel ihm ein, als er den Weg an der Kaimauer entlang zur Hälfte hinter sich hatte. Werner Dröge. Der Mann, an dem jeder vorbeimusste, der in Vitte an Land ging. Thiel glaubte, seinen Blick im Rücken zu spüren, und wusste, dass der andere ihn erkannt hatte. Womit das schon mal erledigt wäre. Zwei Stunden, höchstens drei, länger würde es nicht dauern, bis alle Bescheid wussten.
    Thiel ist zurück. Heiner Thiel, der glaubt, dass er hier einfach so wieder herkommen kann.
     
    Das Haus schien besser in Schuss, als er befürchtet hatte, was womöglich daher kam, dass der Schnee das eine oder andere gnädig bedeckte. Den Garten zum Beispiel, in dem Kraut und Gras im Herbst noch knöchelhoch gestanden haben mussten. Oder die Gerätschaften hinten am Zaun. Den umgestülpten Mischkübel, den Stapel Restholz, die Karre mit dem
abgebrochenen Griff. Malerisch, könnte man sagen, wie der Krempel unter weißen Hauben so dastand. Thiels Stiefel hinterließen tiefe Spuren, als er das Haus umrundete. Es in Augenschein und schon mal von außen in Besitz nahm. Alles in allem war der Zustand durchaus passabel.
    Dann woll’n wir mal, murmelte er.
    Den Schlüssel hatte Willeke verwahrt. Zusammen mit allem anderen, das anfiel, wenn die Eltern starben und man der einzige Sohn war. Der einzige erbberechtigte Sohn, um genau zu sein.
    Die Tür ließ sich überraschend leicht öffnen, und die Sache mit dem Strom hatte tatsächlich geklappt. Als Thiel den schwarzen Schalter neben der Haustür drehte, leuchtete die Flurlampe auf. Er machte überall Licht. In der Küche, wo außer dem schäbigen Kanapee immer noch Kohle- und Elektroherd einträchtig nebeneinanderstanden. In der Stube, in der weiße Laken Sofa und Sessel bedeckten. In den Kammern unterm Dach. Sein Bett stand noch an derselben Stelle, als sei er nie fortgewesen.
    Im Schuppen war Holz in zwei Reihen deckenhoch gestapelt. Frieren musste er nicht. Auch die Briketts würden noch ein paar Tage reichen. Fürs Erste begnügte er sich mit dem Küchenherd. Nahm zwei Feuerringe heraus, als das Holz brannte, setzte den Kessel auf und sah zu, wie die Eisblumen an den Fenstern langsam schmolzen.
    Warum nicht, dachte er und strich mit der Hand
über das zerkratzte Wachstuch. Warum sollte hier nicht der Ort sein, an dem er abwarten konnte, was das Leben noch mit ihm vorhatte. Schlimmer als bisher konnte es eigentlich nicht mehr werden. Dachte er.

4
    »Moin, Jungs.« Mall Breker zog sich die Wollmütze vom Kopf und stampfte mit den Füßen. Der Schnee zeichnete zwei Konturen mittlerer Stiefelgröße, bevor er in der Wärme der Wachstube schmolz. »Echtes Schietwetter, wenn ihr mich fragt.«
    »Was musst du in deinem Alter auch bei Dunkelheit und Schneesturm draußen rumlaufen.« Polizeiobermeister Pieplow schüttelte verständnislos den Kopf.
    »Weil es abhärtet. Außerdem hatte ich keinen Priem mehr.« Breker war Mitte achtzig und die Kombination von Seeluft und Kautabak sein Gesundheitsrezept.
    »Na, dann geh dich mal weiter abhärten, wir machen hier nämlich jetzt dicht.« Hauptwachtmeister Kästner klimperte mit den Schlüsseln von Wache und Streifenwagen. Als er aufstand, ächzte sein Schreibtischstuhl unter der plötzlichen Entlastung.
    »Vorher hört ihr euch aber noch an, was ich zu sagen habe.« Breker nahm auf dem Besucherstuhl Platz.
    Kästner setzte sich wieder. Er wusste, dass Widerspruch zwecklos war. Und dass es eine Weile dauern würde, bis er nach Hause kam.
    Pieplow hatte Nachtbereitschaft und nichts dagegen, dass Breker eine seiner Geschichten erzählte.
    Diesmal sei es eine üble, schickte der vorweg und fummelte ein Stück Kautabak aus der Packung. »Thiel ist nämlich wieder da.«
    Es dauerte einen Moment, bis zumindest Kästner ahnte, von wem die Rede war. »Heiner Thiel?«
    »Genau der«, bestätigte Breker. »Heute mit dem Mittagsschiff angekommen. Ich hab Dröge im Tabakladen getroffen, und der schwört seine Heuer darauf, dass Thiel auf der Fähre war. Ich

Weitere Kostenlose Bücher