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Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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ein paar Konserven. Genug, um ein paar Tage zu überstehen, ohne zu hungern.
    Für die Zeit danach brauchte er einen Plan. Irgendwas, auf dem er herumdenken konnte, um nicht in Trübsal zu versinken.
    Er dachte an Brunner, als er ausgestreckt auf dem durchgesessenen Sofa lag und rauchte.
    Früher oder später kommt der Tag, an dem du überlegst, wie du in den Knast zurückkannst. Wenigstens für ein paar Wochen zur Erholung von der ganzen Scheiße da draußen. So weit Brunners Philosophie über das Leben im Allgemeinen und den Knast im Besonderen.
    Thiel hatte es damals nicht glauben wollen. Jetzt merkte er, dass ihm der Rhythmus von fünfzehn Jahren noch in den Knochen saß und ihm fehlte wie …
    Ein Korsett, fiel ihm ein. Fest geschnürte Stangen und Stäbe, die verhinderten, dass er zerbrach.
    Als die Dämmerung sich im Zimmer ausbreitete, schlief er ein und quälte sich durch einen Traum, in dem er von der Querstrebe seines Zellenfensters hing. Es stank nach Scheiße, und aus seinen Hosenbeinen tropfte Pisse auf den Boden.
    Ich hab’s ja gesagt, hörte er noch Brunners Stimme, bevor er hochschreckte.
    Er machte das Licht an und schaltete den Fernseher ein. In den Nachrichten zeigten sie Luftbilder, auf denen die Insel wie ein totes Seepferdchen im Eis festgefroren lag.
     
    Kurz vor acht brach er auf. Schaffte die Strecke nach Vitte in nicht mal zwanzig Minuten und versuchte sich vorzustellen, was im Godewind auf ihn zukam.
    Immer noch besser, als sich am Fensterkreuz baumeln zu sehen.
    Sechs Köpfe drehten sich zu ihm um, als er die Gaststube betrat. Vier Männer und zwei Frauen, die stumm seinen Weg zur Theke verfolgten. Thiel erkannte Sigi Gau und die Frau aus dem Zigarettenladen. Ein baumlanger Typ ganz in Schwarz daneben knuffte sie mit dem Ellenbogen in die Seite, und das Lächeln verschwand, mit dem sie Thiel entgegengesehen hatte.
    Er bestellte Bier und Korn und zählte die Sekunden, die der Wirt zögerte. Fünf. Dann füllte er die Gläser und stellte sie vor Thiel auf den Tresen.
    Wahrscheinlich war in dem Lokal noch nie so eisig geschwiegen worden. In der Küche klirrte Geschirr. Weiter hinten im Gebäude sang jemand, und vor den Fenstern heulte der Wind. Aber am Tresen sagte keiner ein Wort.
    Thiel hörte, wie das Blut in seinen Ohren rauschte. Er trank sein Bier in einem Zug, kippte den Schnaps und bestellte dasselbe noch einmal.
    »Hören Sie«, begann der Wirt, während er das Bier zapfte. Thiel ahnte, was kam. »Ich kann’s mir nicht leisten, dass die Gäste wegbleiben. Und wenn die paar Urlauber, die noch da sind, mitkriegen, dass Sie … na, Sie wissen schon …«
    Thiel nickte. Natürlich wusste er.
    »Geben Sie mir noch einen Doppelten, dann verschwinde ich.« Er schob das Schnapsglas über den Tresen.
     
    Auf dem Hinweg hatte er Rückenwind gehabt. Jetzt kämpfte er vornübergebeugt gegen nadelspitze Schneepfeile. Hinter den letzten Häusern gab es kaum noch Schutz gegen den eisigen Wind. Vor ihm lag die Dunkelheit der Straße zwischen Seedeich und Boddenwiesen.
    Am Eingang zum Kino hatte er gerade noch Zeit, sich innerlich zu wappnen, als sich links von ihm Schatten aus dem Gebüsch lösten. Der erste Hieb traf ihn seitwärts am Kiefer. Er riss die Arme hoch, um sein Gesicht vor den nächsten Schlägen zu schützen, und krümmte sich, als eine Faust seinen Rippenbogen traf.
    Sie waren zu zweit und schlugen wortlos zu. Erwischten treffsicher seine ungedeckten Flanken und setzten immer wieder nach, bis er vornüber in den Schnee kippte.
    Thiel hörte heftige Atemstöße und etwas wie ein zufriedenes Grunzen, als sie sich über ihn beugten. Weil er auf ihre Fußtritte wartete, zog er die Knie an und nahm den Kopf zwischen seine Hände. Aber dann war da nur noch das Knirschen ihrer Stiefelsohlen im Schnee, als sie in der Dunkelheit verschwanden.
    Er wartete, bis sie hinter der Biegung am Rathaus waren, dann versuchte er aufzustehen. Sein Gesicht brannte, die Unterlippe war aufgeplatzt und schon
jetzt geschwollen. Aus dem Mundwinkel rann blutiger Schleim über sein Kinn. Seine Knie zitterten, jeder Atemzug tat weh. Trotzdem hielt er sich aufrecht.
    Wenn er vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte, konnte er es schaffen. Er musste nur wollen.

10
    Pieplow öffnete sein Feierabendbier. Alkoholfrei, denn genau genommen war er erst seit knapp drei Stunden im Dienst. Die letzte Nachtbereitschaft vor dem wöchentlichen Schichtwechsel. Er hatte eine Sondersendung zum Winterchaos im Norden

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