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Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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»Was, verdammt, gibt’s hier zu glotzen?«
    Die Kormorane blieben stumm. Der mittlere spuckte gelben Priemsaft in den Schnee.
    Erst als Thiel auf den Deich zustürmte und ihnen ein Scheit vor die Füße schleuderte, drehten sie ab. Ohne Hast, in einem wortlosen Gänsemarsch, gingen sie zurück zum Hafen.
     
    Thiels Hand war über den Knöcheln aufgeplatzt. Vergeblich suchte er in den Trümmern der Küche nach der Blechschachtel mit dem Verbandszeug. Schließlich behalf er sich mit den fransigen Streifen eines zerrissenen Geschirrtuchs. Dann holte er aus dem Schuppen, was es brauchte, um das Haus notdürftig abzudichten, nagelte Pappe von innen gegen die Fenster und verschloss sie von außen mit ein paar ungehobelten Brettern. Die Haustür war unbeschädigt geblieben. Es war kurz nach zwölf, als er sie hinter sich schloss.
    Er war nicht der Einzige, der auf das Mittagsschiff wartete. Ein Paar hatte zwei große und einen kleinen
Koffer auf der glatten Zufahrt zum Anleger abgestellt. Der Mann trug einen prallgefüllten Rucksack auf dem Rücken und starrte angestrengt auf den diesigen Horizont, an dem die Vitte auftauchen musste. Die Frau wandte sich zu Thiel um.
    »Wir warten auf die Fähre«, sagte sie überflüssigerweise. Ihr rundes Gesicht hatte eine rosige Winterfarbe. »Sie müsste eigentlich längst zu sehen sein.« Sie lächelte Thiel an, der nur wortlos nickte.
    »Haben Sie auch Winterurlaub gemacht?« Sie klang freundlich, musterte aber mit zweifelndem Blick Thiels schmutzige Jacke, seine nassen Hosenbeine und den rußigen Matsch auf seinen Stiefeln.
    »Eher nicht«, rang Thiel sich ab. Er hatte verlernt, belanglos zu plaudern.
    »Verstehe«, sagte die Frau. »Sie mussten arbeiten, während wir uns erholen durften.«
    »Kann man so sagen, ja.« Jetzt starrte auch Thiel auf die Fahrrinne hinaus. Vielleicht ließ die Rosige ihn ja in Ruhe, wenn sie ihre Aufmerksamkeit der Vitte zuwenden konnte.
    Statt der Fähre entdeckte sie einen Mann, der den Kai entlang auf sie zukam.
    »Das Schiff kommt nicht«, sagte er, als er in Hörweite war. Der Schriftzug auf der Brusttasche seiner Jacke wies ihn als Befugten der Reederei Hiddensee aus.
    »Wie – kommt nicht?« Die Frau sah Thiel an, als wüsste der die Antwort.
    »Liegt mit Motorschaden in Schaprode fest.« Die Reederei begnügte sich mit knappen Erklärungen.
    »Und wann wird er behoben sein, dieser Motorschaden?« Der Mann der Rosigen klang gereizt.
    »Heute jedenfalls nicht mehr.«
    »Wie stellen Sie sich das vor? Wir müssen morgen wieder arbeiten.«
    »Das wird wohl nichts. Am besten gehen Sie in Ihr Quartier zurück und warten, bis wir wissen, wie lange es dauert. Unser Büro ist dahinten Achtern Diek, da können Sie nachfragen«, sagte der Mann mit einer vagen Handbewegung zum hinteren Teil der Hafenanlage. »Und ich gebe Ihnen eine Telefonnummer, unter der Sie eine Auskunft bekommen.« Er händigte den Urlaubern ein Kärtchen mit Anschrift und Telefonnummer aus, Thiel würdigte er keines Blickes.
    »Brauchen Sie das nicht?«, fragte die Frau und hielt das Kärtchen hoch.
    »Nein«, sagte Thiel. »Ich kenne mich hier aus.«
    Dass das nicht ganz der Wahrheit entsprach, gestand er sich ein, als er ins Dorf zurückging. Wie auf einem doppelt belichteten Film stand vor seinem inneren Auge zwischen Fahrradverleih und Supermarkt am Wallweg noch der graue Flachbau der alten Kaufhalle mit der Schlange der Wartenden und dem »Kein Rundgang ohne Korb!«-Schild, das ihren Eintritt regelte. Ungefähr dort, wo der Eingang gewesen sein musste, gab es jetzt ein Tabakgeschäft. Thiel kaufte ein Päckchen Halbschwarzen und Zigarettenpapier und genoss
die Wärme in dem kleinen Laden. Er überlegte, wie er noch ein paar Minuten herausschinden konnte, bevor er zurück in die Kälte musste, und kam sich wie ein Penner vor. Was in gewisser Weise ja auch zutraf. Ein arbeits- und obdachloser Exknacki auf der Suche nach einem warmen Essen und einer Bleibe für die nächste scheißkalte Nacht.
     
    »Sie haben Ihr Wechselgeld vergessen!« Die junge Frau im Tabakladen lächelte, als sie ihn zurückrief.
    Entweder sie wusste nicht, wer da vor ihr stand, oder, was Thiel weniger wahrscheinlicher fand, es war ihr gleichgültig, was sie über ihn gehört hatte. Er beschloss, wenigstens die Sache mit dem warmen Essen in Angriff zu nehmen.
    »Um diese Jahreszeit nur im Godewind «, sagte sie.
    Thiel musste zugeben, dass er nicht wusste, wo dieses Lokal lag.
    Einen Moment schien sie

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