Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
Vom Netzwerk:
sehen wollen, den Fernseher dann aber doch nach den Nachrichten ausgeschaltet. Wenn er wissen wollte, wie der Winter im Norden aussah, brauchte er schließlich nur vor die Tür zu gehen.
    Er lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Tisch zwischen Sofa und Sessel. Eine Angewohnheit, die Marie nicht schätzte. Aber sie war oben mit Leonies Abendritual beschäftigt, und das würde noch eine Weile dauern. Das Kind hatte eine ausgefeilte Verzögerungstaktik. Er hörte ihr Lachen, Leonies helles, kiebiges, das dunklere, warme von Marie. So unbeschwert hatte sie in den letzten Tagen nicht oft geklungen, aber sie hatte auch nicht sagen wollen, was sie bedrückte.
    Wahrscheinlich die Sache mit Thiel, die sich wie Säure in ihr Leben fraß. Mit neugierigen Blicken und zusammengesteckten Köpfen, wo auch immer Marie
auftauchte. Oder, eindeutig schlimmer, mit den Geschichten, die Leonie aus der Schule mitbrachte. Von dem Mörder und seinem Haus und von Vätern, die dafür sorgen würden, dass er wieder verschwand. Obwohl das eigentlich die Polizei tun müsste.
    »Ist er dein Freund?« Leonie hatte mit Malblock und Stiften am Tisch gesessen und Pieplow aufmerksam angesehen. Zwischen ihren Augenbrauen eine kleine Grübelfalte.
    »Wer?«
    »Na, der Mörder natürlich.« Der Blick war ernster, die kleine Falte deutlicher geworden.
    »Wie kommst du denn auf so was?«
    »Die Großen sagen das. Er ist dein Freund und wohnt in deinem Haus.«
    Wie erklärte man einer Sechsjährigen, dass Entscheidungen notwendig, aber alles andere als befriedigend sein konnten? Pieplow hatte es versucht, gelungen war es ihm nicht. Wie ein dunkler Schatten hatte der Argwohn noch in Leonies Blick gelegen, als sie vom Stuhl gerutscht und wortlos hinausgegangen war. Auf dem Tisch war das Bild zurückgeblieben. Ein schwarzes Haus unter schwarzem Himmel. Die einzige Farbe: das Rot der Flammen.
    Pieplow hatte es genommen und in kleine Fetzen gerissen.
    Und dann hatte auch noch Benzlau angerufen.
    Wie es um die Seemöwe stehe in diesen eisigen Zeiten. Um Heizung, Wasserleitungen und Dach?
    Für einen Moment hatte Pieplow die Luft angehalten und dann wahrheitsgemäß berichtet. Nicht nur im Hinblick auf Heizung und Dach, sondern auch von dem, der dort Unterschlupf gefunden hatte.
    Jetzt war es an Benzlau, die Luft anzuhalten. Wozu ein aufgeschrecktes Dorf in der Lage war, machten die Hiddenseer gerade vor. Wie hielt es der Stadtmensch mit Umsicht und Toleranz? Benzlau hatte hörbar gerungen.
    »Also gut«, hatte er dann gesagt, »es ist nun mal, wie es ist, und es gibt vermutlich keine andere Lösung. Ich kann nicht sagen, dass ich begeistert bin, und ich will, dass dieser Thiel bei der ersten Gelegenheit seine Sachen packt. Bei der allerersten.«
    Pieplow hatte versprochen, dafür zu sorgen.
    Für was eigentlich noch, dachte er zornig. Was würde er in dieser verdammt verfahrenen Geschichte noch tun müssen? Außer das Boddeneis schmelzen natürlich.
    Das Telefonklingeln riss ihn aus seinen Gedanken. Er nahm die Füße vom Tisch und fand den Apparat unter der Fernsehzeitung.
    Der Anrufer war unbekannt. So stand es wenigstens im Display. Pieplow zögerte, bevor er das Gespräch annahm. Es war Maries Telefon und keineswegs selbstverständlich, dass er ihre Gespräche entgegennahm.
    »Bei Eggert«, meldete er sich schließlich.
    »Am Norderende liegt einer.« Eine dumpfe, monotone Stimme.
    »Wie bitte?«
    »…«
    »Wer ist denn da?«
    »Norderende«, wiederholte die Stimme. Dann kam aus dem Hörer nur noch das Besetztzeichen.
    »Wer war das?« Marie stand hinter ihm. Ihre Hände lagen auf seinen Schultern, ihre Daumen strichen über seinen Nacken.
    »Keine Ahnung.«
    »Aber du hast doch mit jemandem gesprochen.«
    »Schon, ich weiß nur nicht mit wem.«
    »Mann oder Frau?«
    Auch das konnte Pieplow nicht sagen. So verstellt und gedämpft, wie die Stimme geklungen hatte: »Am Norderende liegt einer.«
    Auf der Dienstleitung gingen durchaus hin und wieder anonyme Anrufe ein, wenn es vermeintlich oder tatsächlich etwas anzuschwärzen gab. Aber dieses Telefon gehörte Marie, und die hatte nicht den geringsten Grund, sich für jemanden zu interessieren, der am Sonntagabend bei Eiseskälte draußen am Norderende lag.
    Er hatte die Information bekommen sollen, daran bestand kein Zweifel. Nur eben nicht über eine Polizeileitung.
    »Ich sehe vorsichtshalber mal nach«, sagte er. Ein Einsatz in Dunkelheit und Schneegestöber war sinnlosem Grübeln eindeutig

Weitere Kostenlose Bücher