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Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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aufgebracht, habe Heiner T., so die Anklageschrift, mit einem Messer auf Manuela F. eingestochen und sie mit dem Brand getötet, den er zur Verdeckung seiner Tat gelegt habe. Oberstaatsanwalt Bode räumt ein, dass Heiner T. seinem Opfer die Stichverletzungen im Affekt zugefügt haben könnte. Den Brand habe er indes kaltblütig geplant und gelegt, obwohl Manuela zu diesem Zeitpunkt laut Gutachten des Rechtsmediziners Professor Dahlke zweifelsfrei noch gelebt habe. Zudem habe Heiner T. billigend in Kauf genommen, dass die Flammen nicht nur auf den nahen Wald, sondern auch auf die umliegenden Reetdachhäuser übergreifen und weitere Menschenleben gefährden könnten.
    Heiner T. lässt während des Prozesses kaum eine Regung erkennen. Nur manchmal schüttelt er den Kopf, und erst am Schluss ergreift er das Wort. ›Ich habe Manu geliebt‹, spricht er mit rauer, aber gut
hörbarer Stimme ins Saalmikrofon. ›Und ich habe sie nicht getötet.‹
    Das Gericht jedoch sieht es als erwiesen an, dass Heiner T. den Mord an Manuela F. begangen hat. Es folgt dem Antrag des Staatsanwalts und verhängt eine Haftstrafe von fünfzehn Jahren.
    Die Verteidigung kündigt an, gegen das Urteil in Revision zu gehen.«
     
    Pieplow trank einen Schluck von seinem erkalteten Kaffee, bevor er vom Text zu den Bildern zurückging.
    Manuela F.
    Pieplow vergrößerte das Foto, auf dem sie in die Kamera schaute. Sie war hübsch, keine Frage. Langes, hellblondes Haar, wellig, in der Mitte gescheitelt und über die Schultern zurückgeworfen. Blaue Augen mit einem selbstbewussten Blick, zu dem der etwas spöttische Zug um den Mund passte.
    Lebenslustig. Was immer das auch meinte. War sie einfach nur fröhlich gewesen, unbeschwert, ausgelassen? Oder eher leichtsinnig? Verführerisch – und das auch wusste? Eine, die leicht zu haben war, wie man so sagt?
    Unmöglich, die Antwort auf diesem Foto zu finden.
    Pieplow las auch den zweiten Artikel und fand schließlich noch eine kleine Meldung, die fast ein halbes Jahr später erschienen war.
     
    »Urteil gegen Mönchgut-Mörder rechtskräftig – 02. 06. 1995 Karlsruhe/Stralsund. Das Urteil gegen den Mörder der 23-jährigen Manuela F. ist rechtskräftig. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe wies am Freitag die Revision von Heiner T. zurück, der im Januar vom Landgericht Stralsund wegen Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt worden war.«
     
    Pieplow drückte auf den Knopf und ließ den Drucker rattern. Was er gefunden hatte, passte auf vier Blatt Papier, auf denen es von Richtern, Staatsanwälten, Kriminalbeamten und sonstigen Experten wimmelte. Vier Monate Ermittlungsarbeit und die Prüfung jedes Details durch das Gericht, und jetzt wollte er Zweifel anmelden? Ein Provinzbulle, der sich bestenfalls auf verlorenes Gepäck und geklaute Fahrräder verstand?
    Für einen Moment ließ er den Blick durchs Fenster nach draußen schweifen, wo ein trübes, kaltes Grau alle Konturen verwischte.
    Er sollte sich den Gedankenfisch samt Köder aus dem Hals halten. Sich mit Vernünftigerem befassen, der Sicherheit auf den Hauptverkehrswegen zum Beispiel, anstatt sich in hirnrissige Vorstellungen von Justizirrtümern hineinzusteigern.
    Andererseits sprach nicht viel dagegen, ein wenig mehr in Erfahrung zu bringen. Die Tatsache zu nutzen, dass er den Gerichtsmediziner nicht nur kannte, sondern auch wusste, wo er ihn antreffen würde.
    Pieplow griff zum Telefon und hatte fünf Minuten später eine Einladung zum Kaffee.
    Halb vier, wenn es ihm recht war. Das ließ Zeit für eine mentale und sachliche Vorbereitung, ohne die sich Professor Dahlke ungern zu einem Sachverhalt äußern wollte. Zumal zu einem so komplexen Fall wie dem der jungen Frau damals in Mönchgut. Dass er sich auch nach fünfzehn, fast sechzehn Jahren daran erinnerte, verstand sich von selbst. So sah es jedenfalls der Professor.
     
    Im September vor gut zwei Jahren waren sie sich das erste Mal begegnet. Der Professor war um die Grube gewuselt, in der sie die siebzig Jahre alten Überreste einer männlichen Leiche gefunden hatten. Ein kleiner, drahtiger Mann mit Einsteinfrisur, der winzige Details ebenso schätzte wie weitschweifige Reden und im Ruf stand, einem Toten auch noch das letzte Geheimnis entlocken zu können.
    Dass ihn damals sein dienstlicher Aufenthalt in ein Zimmer mit Ausblick bei Hilde Gottschalk geführt hatte, pries der Professor noch heute als äußerst glückliche Fügung

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