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Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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seinen Töchtern, warum er es nicht ertrug, mit ihrer Mutter das Bett zu teilen. Was ihn nachts aus dem Haus trieb, wenn sie schliefen. Die unerträgliche Spannung, die Sehnsucht nach Erlösung.
    Nach dem Schneefall am Morgen hatte er die Kellertreppe und den Gartenweg freigeschaufelt. Jetzt lag auf den Steinplatten nur eine pudrige Grieselschicht, in der seine Stiefelsohlen dunkle Abdrücke hinterließen. Der Wind hatte aufgefrischt und war eisig.
    Wenn der Schnee sich nicht meterhoch türmte,
ginge er nach Westen. Hoch aufs Steilufer, wo ihm der Eiswind messerscharf ins Geschlecht fahren würde, bis es sich anfühlte, als sei da nichts mehr. Keine Hoden, kein Glied. Nichts mehr, was quälte.
    Er wandte sich nach rechts. Ging langsam und brauchte doch nur ein paar Minuten, bis er am Hafen war. Vor ihm ragte der Bootssteg aus dem Eis, hinter ihm knisterte trockenes Schilf im Wind.
    Thomas Rohrbach schloss die Augen und sog die kalte Luft tief ein, bis seine Lungen brannten. Dann öffnete er Jacke und Hose.
    »Du bist und bleibst ein Schwein, Rohrbach. Ein armseliges, perverses Schwein.«
    Rohrbach fuhr herum. Mit den Händen vor dem Schoß und außer Stande, etwas zu sagen.
    Er hatte Ehmke nicht kommen hören.
    »Mach gefälligst die Hose zu, wenn ich mit dir rede.«
    Rohrbach zerrte mit klammen Fingern am Reißverschluss. Ehmke sah gelangweilt zu. Ein siegesgewisser Kater, der sich an den Zuckungen seiner Beute weidet.
    »Was willst du?«, brachte Rohrbach heraus, obwohl die Frage überflüssig war. Er konnte sich denken, was Ehmke wollte.
    »Sagen wir mal so: Mir ist zu Ohren gekommen, dass du Besuch hattest und möglicherweise Unterstützung brauchst.«
    »Ich pfeife auf deine Unterstützung.«
    »Vorsicht, Rohrbach. An deiner Stelle würde ich nicht so große Töne spucken. Du weißt, wie schnell
ein Leben ruiniert ist. Ein Hinweis an die Schulbehörde, und das war’s mit dem Lehrerleben. Aus, Ende, Feierabend. Keine Gattin mehr. Keine Kinder, kein Haus.«
    Es müsste anders heißen, dachte Rohrbach. Keine Angst mehr. Keine Schuld und keine Scham.
    Ein paradiesischer Zustand.

21
    Es war nach fünf und stockdunkel, als sie sich auf den Rückweg machten. Ihr letzter Besuch war kurz und unergiebig gewesen. Dr. Schwarzkopf erinnerte sich noch in allen Details an seine Zeugenaussage vor mehr als fünfzehn Jahren, hatte aber nicht das Geringste hinzuzufügen. Er war nachts, etwa um Viertel nach zwei, zu einem Notfall gerufen worden. Hatte den Weg hinter dem Festzelt gewählt, weil er eine Abkürzung war, und vor sich in der Dunkelheit eine schwarze Gestalt ausgemacht. Ein Mann, da war er sehr sicher, obwohl – beschwören konnte er das nicht. Also natürlich auch nicht sagen, ob es sich bei diesem Mann um Heiner Thiel handelte. Von der Statur her hätte es möglich sein können. Aber Thiel war schließlich nicht der einzige eins achtzig große, schlanke Mann im Dorf gewesen.
    Das, so der Doktor, hätte er damals ausgesagt und dem, wie schon erwähnt, heute nichts hinzuzufügen. Und wenn sie ihn jetzt bitte entschuldigen würden? Auf ihn wartete ein Wartezimmer voller ungeduldiger Patienten.
    Ostwald hatte keine Einwände gehabt.
    Hinter Göhren setzte Schneefall ein, der schnell dichter wurde und besonnenes Fahren verlangte. Pieplow drosselte die Geschwindigkeit und hätte gern die Heizung heruntergedreht. Die warme Luft aus dem Gebläse vernebelte ihm den Kopf und machte ihn müde. Er gähnte, dass seine Kiefergelenke knackten, und ließ seine Gedanken zum Nachmittag zurückschweifen.
    Am aufschlussreichsten war das Gespräch mit diesem Rohrbach gewesen, der, wenn vielleicht nicht als Mörder, so doch auf irgendeine andere Weise beteiligt gewesen sein musste.
    Aber auf welche?
    Pieplow ärgerte sich, dass ihm entscheidende Fragen erst jetzt einfielen. Er hätte sich diesen Lehrer energischer vornehmen, hartnäckiger nachbohren müssen.
    Und die beiden anderen? Leuchtturm und Beiwagen  – was wussten, was verschwiegen sie?
    Selbst wenn er dahinterkäme, bliebe die große Frage nach den Sachbeweisen. Nach der Tatwaffe, dem Benzin, dem Blut des Opfers. Wie, zum Henker, mochten die in Thiels Schuppen gekommen sein?
    Oder was war mit diesem Jensen, der sich auf den Malediven in der Sonne aalte? Ihn und sein Alibi sollte man vielleicht noch einmal unter die Lupe nehmen.
    Eigentlich, dachte Pieplow, eigentlich müsste man wieder ganz von vorn anfangen.
    Als im Schneegestöber ein Rotlicht aufleuchtete, trat er

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