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Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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vorsichtig auf die Bremse. Am Bahnübergang
Samtens senkte sich langsam die Schranke. Die Uhr im Armaturenbrett zeigte neunzehn Minuten vor sechs. Wenn es nicht bald weiterging, würde er das Abendschiff noch verpassen.
    Ostwald schlief. Sein Kopf lehnte an der Nackenstütze, links hing der halb offene Mund etwas herunter, die linke Hand lag schlaff auf dem Oberschenkel und wackelte leicht. Im Licht der Ampel wirkte er hohlwangig und krank. Auch der Regionalexpress nach Stralsund konnte ihn nicht wecken.
    Verdammt, dachte Pieplow, dem plötzlich das spezielle Problem des Hauptkommissars wieder einfiel. Vor mehr als drei Stunden war er das letzte Mal pinkeln. Er hält hoffentlich dicht, bis wir da sind.
    Das Wetter wurde zusehends schlechter und damit die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Pieplow das Abendschiff noch erreichte. Selbst wenn er Ostwald nur ablieferte und sofort weiterfuhr, war die Zeit mehr als knapp.
    Er würde sich ein Nachtquartier suchen müssen.
    Egal, dachte er. Irgendwo wird sich ein Bett finden lassen. Und eine Mahlzeit natürlich. Ihm stand der Sinn nach Räucherfisch mit Bratkartoffeln und frischgezapftem Bier.
     
    Beides gab es im Waaser Hafen. Außerdem so viel Papier, wie er brauchte, um das Wichtigste des Tages festzuhalten, bevor es verloren ging. Als das erledigt war, bestellte er noch ein Bier und fragte sich, was sein
nächster Schritt sein sollte. Er gestand sich ein, dass sie einen Punkt erreicht hatten, an dem ein Dorfpolizist und ein stummer Exkommissar nicht mehr viel ausrichten konnten. Die drei wichtigsten Zeugen logen, davon waren sie beide überzeugt. Beweisen konnten sie es nicht. Dafür brauchte es Mittel und Methoden, die sie nicht hatten.
    Bevor er Marie anrief, fasste er einen Entschluss. Dann trank er aus und ging schlafen.

22
    Im Haus war es endlich still. Thomas Rohrbach schloss die Mappe, in der alles Wichtige war. Geburtsurkunde, Studiennachweise, Examenszeugnis, Anstellungsvertrag, Heiratsurkunde. Sein Leben in Dokumenten. Mehr würden es nicht werden, von der Sterbeurkunde mal abgesehen. Die würde Sabine abheften müssen und das auf eine so penible Art, wie sie alles erledigte.
    Als er die Mappe zur Seite legte, kam der Umschlag zum Vorschein. Wenn alles wie geplant lief, konnte er ihn morgen schon abschicken. Per Einschreiben mit Rückschein.
    Er beobachtete seine Hand, wie sie über den packpapierbraunen Umschlag strich. Sanft, als sei darin ein Liebesbrief. Was in gewisser Weise ja sogar stimmte. Er hatte den Rest von Zuneigung zu sich selbst zusammengekratzt und Tage gebraucht, um ihn zu schreiben. Jetzt musste er ihn nur noch auf den Weg bringen.
    Im Nebenraum sprang der Brenner an. Rohrbach stand auf und lauschte. Außer dem gleichmäßigen Brummen der Heizung hörte er nichts. Er zog seine Schuhe aus und ging geräuschlos nach oben.
    Bevor er die Klinke herunterdrückte, hatte er
noch Zeit, sich über die Leichtigkeit seiner Schritte zu wundern und darüber, dass sein Herz ruhig und gleichmäßig schlug.
    Der Atem des Alten ging etwas flacher als sonst. Nach einer dreifachen Dosis Zopiclon war das zu erwarten gewesen und würde die Sache wohl einfacher machen.
    Es knisterte leise, als er die Folie aus der Tasche holte.
    Sie war dünn und weich und glasklar. Als er sie über das Gesicht legte, sahen Mund und Nase des Alten aus, als drückte er sie an eine Scheibe.
    Rohrbach hatte sich auf dramatische Szenen vorbereitet. Auf einen qualvollen Kampf und das nackte Entsetzen in weit aufgerissenen Augen.
    Aber dann hob sich der Brustkorb des Alten nur ein paar Mal im vergeblichen Ringen nach Luft. Der Körper zuckte und bäumte sich auf, dann lag er still. Die Hände öffneten sich, die Füße fielen zur Seite.
    Er hatte nicht einmal die Augen geöffnet.
    Rohrbach sah auf den Wecker. Sechzig endlose Sekunden ließ er verstreichen, anschließend löste er die Folie vom Gesicht des Alten und steckte sie wieder ein.
    Es war unfassbar einfach gewesen.
    Er nahm das Glas mit dem Saftrest, spülte es in der Küche, bis der weiße Bodensatz sich ganz gelöst hatte, und stellte es wieder neben die Saftflasche auf den Nachttisch. Erst jetzt fiel ihm auf, wie still es im Zimmer
war. Zum ersten Mal hatte er nicht den Wunsch, es fluchtartig zu verlassen. Zum ersten Mal ertrug er es ohne Furcht, mit seinem Vater in einem Raum zu sein.
    Er schob den Stuhl ans Bett und setzte sich neben den Toten, dessen Gesicht sich zu verändern schien. Die Stirn wurde glatter, um Augen und

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