Brandfährte (German Edition)
ungeduldig.
«Da haben Sie natürlich recht», räumte er scheinbar kleinmütig ein. «Ich wundere mich nur, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.»
«Woraus schließen Sie das?» Ihre Stimme klang ehrlich überrascht.
«Das habe ich Ihrem Bericht entnommen», erwiderte er.
Die Frau lachte kurz auf. «Das ist doch nur eine Standardformulierung. Natürlich sind auch scheinbar eindeutige Verfahren nach einem Tag noch nicht komplett abgeschlossen und durchermittelt. Wir schreiben das meistens nur zur eigenen Absicherung. Aber geben Sie mir Ihre Nummer, dann werde ich mich gleich mal bei der Polizei nach dem Fall erkundigen und Sie wieder zurückrufen.»
Damit hatte er nicht gerechnet. Einen Augenblick wusste er nicht, was er sagen sollte.
«Sind Sie noch dran?»
Andrea Voss schien eine ungeduldige Frau zu sein.
Er beeilte sich, den Faden wiederaufzunehmen.
«Ja, ich … bin hier nur gerade bei meiner Mutter in Schwachhausen und möchte nicht, dass sie sich beunruhigt. Am besten rufe ich heute Mittag wieder an, wenn sie schläft.»
«Oder Sie geben mir Ihre Handynummer», schlug Andrea Voss vor.
«Danke für Ihr Entgegenkommen. Aber ich besitze kein Handy. Wenn es Sie nicht stört, würde ich Sie gerne gegen Mittag anrufen.» Die Reporterin willigte ein.
Die nächsten Stunden verbrachte er damit, die Tapeten in der Küche und im Wohnzimmer mit weißer Farbe auszubessern. Nach dem Feuer hatte er alle Fotos von Maike abgenommen. Dabei war die Tapete an einigen Stellen beschädigt worden. Er hatte in den vergangenen Monaten wohl an die hundert Bilder von ihr aufgehängt. Jetzt wirkte die Wohnung kahl und leer. So leer, wie er selbst sich fühlte, wenn ihn nicht gerade die Wut packte. Wieso hatte Maike ihrer gemeinsamen Liebe keine Chance gegeben? Monatelang hielt sie ihn hin. Er ging immer wieder auf sie zu, gab nicht auf und kämpfte um sie. Etliche Male ließ er sich krankschreiben, nur damit er Stunde um Stunde vor ihrem Haus stehen konnte, um sie ein paar Minuten zu sehen oder mit ihr zu sprechen.
Und dann kam dieser wundervolle Abend im Restaurant, an dem sie zusammensaßen und redeten. Wieder spielte Maike die Spröde, Unnahbare. Und er tat ihr den Gefallen und ging darauf ein. Am Ende verbrachten sie zwei Stunden in dem Restaurant und prosteten sich zum Abschied zu. Er hatte ihr versprechen müssen, sich nicht noch mal zu melden. Aber er wusste, dass sie ihn brauchte und sich heimlich nach seiner Nähe sehnte. Trotzdem hielt er sich nach diesem Abend zurück. Jetzt war sie dran. Nur ein klitzekleines Zeichen. Mehr erwartete er gar nicht von ihr. Morgens kontrollierte er seinen Anrufbeantworter. Für den Fall, dass sie tagsüber bei ihm anrufen würde, nahm er sein Handy mit ins Bad. Jede halbe Stunde kontrollierte er seine E-Mails. Aber sie gab kein Zeichen.
Nach einer Woche wurde ihm klar, dass er vergeblich auf einen Neuanfang gehofft hatte. Am Abend nahm er ein Jagdmesser aus dem Küchenschrank. Er zerstach alle vier Reifen an ihrem Auto und demolierte ihr Fahrrad. Es war seit langem die erste Nacht, in der er wieder schlafen konnte.
Doch schließlich verzieh er ihr. An einem Sonntagmorgen kaufte er in einer Gärtnerei Feuerlilien und besorgte Brötchen. Er wollte sie überraschen. Sein Plan war, auf die alte Frau zu warten, die jeden Morgen gegen neun mit ihrem Hund vor die Tür ging. Doch so lange musste er gar nicht warten. Ein junger Mann, der in einer der beiden Erdgeschosswohnungen lebte, kam kurz nach acht mit seiner Freundin aus dem Haus gestürzt. Die junge Frau zog einen Koffer hinter sich her, wahrscheinlich wollten sie verreisen. Ohne sich um die Hausordnung zu kümmern und die Tür abzuschließen, rannten beide im Laufschritt zum Auto. Bevor die Tür ins Schloss fiel, stand er schon im Hausflur.
Der Rest war Warten. Er machte es sich in der dritten Etage bequem. Dort stand eine Wohnung leer, die andere wurde nur sporadisch von dem Hauseigentümer benutzt, wenn dieser sich in Bremen aufhielt. Niemand würde ihn hier oben bemerken.
Er musste nicht lange warten. Gegen halb neun öffnete Maike ihre Tür und lief barfuß und im Schlafanzug zum Briefschlitz an der Haustür, in dem bereits die Zeitungen steckten. Ihre Wohnungstür blieb angelehnt, als er sie im Hausflur verschwinden sah.
Aufgewühlt schlug er mit der Faust gegen die Küchenwand. Die Erinnerung an den Sonntagmorgen drohte ihm wieder den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Maike hatte ihn
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