Brandfährte (German Edition)
verhöhnt, beleidigt und seine Blumen aus dem Fenster geworfen – und sie hatte ihn schließlich zum Mörder gemacht. Er hasste sie. Oh, was er dafür geben würde, sie noch einmal töten zu dürfen. Diese Schlampe! Er schlug mit der Faust gegen die Wand, wieder und wieder. So lange, bis er endlich einen Schmerz fühlte und es in seiner Hand dumpf pochte. Schwer atmend setzte er sich auf einen Stuhl. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er verbarg sein Gesicht in den Händen, aber er konnte nicht weinen. Er würgte verzweifelt und erbrach sich in einem Schwall auf den Küchenboden. Stumpf blickte er auf seine Hose und die schmierig-schleimigen Hände. Dann sackte er wimmernd zusammen.
Erst am frühen Nachmittag fand er die Kraft, noch einmal bei der Reporterin anzurufen.
«Ah, Sie sind’s.» Sie schien erfreut, seine Stimme zu hören. «Ja, die Ermittlungen in dem Fall sind in der Tat noch nicht abgeschlossen.»
Er fühlte, wie sein Puls schneller wurde.
«Wieso Fall?», hakte er vorsichtig nach. «Ich dachte, es war ein Unglück.»
«Davon gehen die Beamten auch weiterhin aus. Aber es gibt da wohl noch ein paar Ungereimtheiten, denen man nachgehen will.»
«Was soll das heißen?» Seine Stimme klang scharf. Zu scharf. Die Reporterin schien zu stutzen.
«Na ja», sagte sie gedehnt. «Die sind noch in der Abklärung. Mit mehr wollten die zurzeit nicht rausrücken. Aber der Hauptsachermittler bat mich, ihm Ihre Telefonnummer zu geben, weil die Polizei noch nach weiteren Zeugen und Bekannten des Opfers sucht.»
«Ja, sicher. Gerne.» Er hatte sich wieder voll im Griff.
Er nannte der jungen Frau eine imaginäre Telefonnummer, die sie notierte und vorsichtshalber gleich zweimal wiederholte.
Dann verabschiedete er sich herzlich. Kaum hatte er aufgelegt, trat er so heftig gegen den hölzernen Telefontisch, dass dieser zur Seite flog. Ein Tischbein zerbrach, aber er nahm keine Notiz davon. Diese Wichtigtuer. Es gab keine Ungereimtheiten. Er hatte nichts übersehen. Es war ein tragischer Unfall. Ein Unglück. Maike hatte gelitten, jetzt litt er. Wieder hatten sie etwas gemeinsam. Im Leben wie im Tod.
Der Gedanke tröstete ihn.
Erschöpft legte er sich auf sein Sofa im Wohnzimmer. Nach einer Stunde war er wieder ganz ruhig. Alles war so, wie es sein sollte. Und es war gut so.
9
Als der Wecker am Morgen um sieben Uhr klingelte, war Steenhoff sofort wach. Er hatte kaum geschlafen. Die halbe Nacht hatte er darüber nachgedacht, was Ira mit «großer Krise» meinen könnte. Sicher, es gab in jüngster Zeit mehr Spannungen als sonst zwischen ihnen. Aber war das nicht normal, wenn das einzige Kind plötzlich am anderen Ende der Welt lebte und die Eltern unterschiedlich auf die Trennung reagierten? Warum gab Ira ihnen nicht ein bisschen Zeit, statt nachts zu ihrer Freundin zu gehen?
Etwas kratzte leise an der Tür, doch Steenhoff blieb liegen. Er fühlte sich zerschlagen und müde. Das Kratzen wurde energischer. Steenhoff drehte sich noch einmal um und vergrub seinen Kopf unter dem Kissen. Aber er wusste, Maries Hund würde hartnäckig weitermachen. Seufzend quälte er sich aus dem Bett, stieß die Tür auf und ließ sich zurück ins Bett fallen. Mit einem Satz stand der Golden Retriever über ihm und leckte sein Gesicht. «Raus aus dem Bett, Ben. Mach Platz! Platz, sage ich!»
Der Hund legte den Kopf schief und sah ihn fragend an. Sein Schwanz fegte über Steenhoffs nackte Beine.
«Verdammt. Wann lernst du endlich, dass du in unserem Schlafzimmer nichts zu suchen hast?»
Fluchend drängte Steenhoff den Hund aus dem Bett. Mit aufgestellten Ohren sah ihn Ben an, blieb aber erwartungsfroh vor dem Bett stehen. Als Steenhoff wieder unter die Decke kroch, fing das Tier an zu winseln. Unwillig schlug Steenhoff die Decke zurück und setzte sich mit einem Ruck auf. Sofort stand Ben vor ihm und legte ihm eine Pfote auf das Bein.
«Schon gut. Ich weiß, du musst raus.»
Er zog sich Hose, Hemd und Pulli über, schlüpfte barfuß in ein paar Turnschuhe und nahm Ben an die Leine. Im Hinausgehen streifte er sich noch ein verwaschenes Sweatshirt über, das er sonst zum Joggen benutzte. Unrasiert und unausgeschlafen wie er war, hoffte er, dass er keinem der Nachbarn bei seinem kurzen Spaziergang mit dem Hund über den Weg lief.
Ira hatte den Hund im Herbst vergangenen Jahres für Marie gekauft. Als Therapiemaßnahme, wie sie sagte. Er hatte protestiert und darauf hingewiesen, dass sie schließlich all die Jahre erfolgreich
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