Brandfährte (German Edition)
aller Bremer Medien. Das Mietshaus in Findorff war, wenige Stunden nachdem die Pressemitteilung herausgegangen war, von einem Fernsehteam aufgespürt und gefilmt worden. Mehrere Reporter hatten sich bei Gerda Blanke gemeldet, wie Steenhoff den Zeitungsberichten entnahm.
«Ich hoffe, ihr habt unsere Zeugen alle darauf eingeschworen, den Presseleuten nichts zu sagen?»
Rüttger hob die Schultern. «Ist doch klar.»
Den direkten Nachbarn des Opfers, Detlef Wendler, hatten die Ermittler erst spät am Abend erreicht. Er sollte am Morgen nach der Besprechung ins Präsidium kommen. Steenhoff wollte ihn vernehmen. Der Student aus dem Erdgeschoss hielt sich für mehrere Tage bei seiner Freundin in Berlin auf. Seine Mutter konnte Petersen nur die Handynummer ihres Sohnes und den Vornamen seiner neuen Freundin sagen. «Sie heißt Sandy und wohnt irgendwo in Kreuzberg.»
«Na toll. Dann haben wir sie ja sofort», sagte Wessel sarkastisch. «Und warum geht der junge Mann nicht ans Handy?»
«Keine Ahnung. Aber ich versuche es weiter», versprach Petersen. Auf einem Flipchart fasste Steenhoff anschließend zusammen, was sie bislang über den Täter und das Opfer sowie die bisherigen Zeugen wussten und welche Stränge sie als nächste abarbeiten mussten. Daneben hatte er ein vergrößertes Foto von Maike Ahlers aus jüngster Zeit aufgehängt, das ihre Mutter ihm gegeben hatte. Er wollte bei seinen Ermittlungen ein Gesicht und keine verschrumpelte Brandleiche vor sich haben.
Einiges sprach dafür, dass jemand Maike Ahlers monatelang verfolgt und schließlich auch getötet hatte. Doch warum? Was war das Motiv? Alexander Lösekann fiel als Täter aus, und einen anderen Liebhaber oder Partner schien das Opfer nicht gehabt zu haben. Steenhoff bat Berger und Schneider, sich in den kommenden Tagen in die Fachliteratur über Stalking hineinzulesen, mit den Experten vom Landeskriminalamt zu sprechen und unterschiedliche Tätertypen aufzuzeigen. «Ich möchte, dass ihr das für uns zusammenfasst und aufbereitet. Wir sollten so schnell wie möglich alle auf demselben Stand sein, was dieses Phänomen betrifft», sagte Steenhoff und sah, wie Rüttger zustimmend nickte.
«Das wenige, was ich darüber weiß, ist, dass die Täter Kontrollfreaks und Machttypen sind», fügte Steenhoff hinzu. «So eine Eigenschaft legt man bei der nächsten Beziehung oder Verliebtheit nicht einfach ab. Wir sollten also auch die angezeigten Stalkingfälle der vergangenen Jahre nach Parallelen durchgehen.»
Rüttger bot sich an, diese Arbeit zu übernehmen.
Der Tag verging mit mehrstündigen Vernehmungen und etlichen störenden Anrufen von Reportern. Steenhoff verwies sie kurz angebunden sofort an die Pressestelle des Präsidiums und fragte sich zum wiederholten Male, woher ihm völlig unbekannte Journalisten aus Hamburg, Münster oder Osnabrück eigentlich seine Durchwahl kannten. Die einzige Journalistin, die Steenhoff nach einer SMS auf sein persönliches Handy von sich aus zurückrief, war Andrea Voss vom
Weser Kurier
.
Seit dem Vorfall auf der Jugendfarm fühlte er eine tiefe Dankbarkeit gegenüber der stets etwas hektisch wirkenden Lokalredakteurin. Gleichwohl hatte er es geschafft, eine professionelle Distanz zwischen sich und seiner Arbeit auf der einen Seite und ihren Interessen als Reporterin auf der anderen Seite einzuhalten.
Andrea Voss wollte, ebenso wie zwei Fernsehsender, ein Interview mit ihm als Ermittlungsleiter. Doch Steenhoff gab ihr die gleiche Antwort wie zuvor ihren Kollegen. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine solche Offensive eher schädlich als nützlich. Aber er kündigte ihr an, dass die Medien vermutlich in den nächsten Tagen zu einer Pressekonferenz eingeladen würden, in denen sich die Ermittler mit weiteren detaillierten Fragen an die Öffentlichkeit wenden wollten.
«Kannst du mir nicht zumindest eine Richtung andeuten, in die ihr ermittelt?», bat Andrea Voss. Steenhoff betonte, dass sie noch keinen konkreten Ansatz hätten und zurzeit in alle Richtungen ermittelten.
«Wie ist es mit einem Motiv, dem Exfreund, einem neuen Freund, einem scharfen Nachbarn oder liebestollen Patienten aus der Orthopädiepraxis?», lockte Andrea Voss.
«Tut mir leid, Andrea. Aber der Fall ist verzwickt, und wir sind noch ganz am Anfang.»
«Also kein klassisches Kapitaldelikt», mutmaßte die Reporterin. Erst Minuten nachdem er das Gespräch beendet hatte, fiel ihm auf, was ihn an ihrem Satz gestört hatte. Andrea Voss hatte so zufrieden
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