Brandfährte (German Edition)
Einen aufgeschlitzten Fahrradsattel, vier zerstochene Reifen und die Aussage von Maike Ahlers, dass sie einen lästigen Verehrer hatte. Möglicherweise gab es ja wirklich einen heimlichen Freund, der sich ihrer irgendwann entledigen wollte, und zusätzlich noch einen Verehrer?»
Steenhoff wollte widersprechen, nahm sich aber zurück. Er wollte hören, was die anderen zu Petersens Einwand meinten.
«Du hast recht, ganz ausschließen dürfen wir das im Augenblick noch nicht», begann Rüttger diplomatisch. «Aber wir sollten zuerst immer von der wahrscheinlichsten Möglichkeit ausgehen. Bei deiner Aufzählung hast du vergessen, dass Maike vor ihrem Verehrer geradezu panische Angst hatte. Denk an ihre Türsicherung oder an das Gespräch mit ihrem Vermieter oder auch daran, dass sie die Hälfte des Mobiliars ins Wohnzimmer geschleppt hat, wo sie niemand von der Straße beobachten konnte. All das spricht dafür, dass sie sich verfolgt fühlte.»
«Oder die Hausversammlungen», warf Jan Schneider ein. «Den anderen Hausbewohnern ist ihre Angst nicht entgangen. Sie muss so eindringlich gewesen sein, dass ihre Mitbewohner am Ende sogar bereit waren, bei Besuch auf ihren Türöffner zu verzichten und zur Haustür zu laufen, um sie aufzuschließen.»
Petersen nickte zögernd.
«Außerdem hat ihr sogenannter Verehrer sie sogar an ihrem Arbeitsplatz ein-, zweimal heimgesucht», meldete sich Wessel zu Wort.
Überrascht sahen ihn die anderen an.
«Jan und ich haben endlich Silke Raue vernehmen können. Sie ist die älteste der Arzthelferinnen und die Frau, die Maike Ahlers vor einem Jahr den Freund ausgespannt hat. Wir berichten euch gleich davon, wenn Tim mit seinen Ausführungen fertig ist.»
Wessel kam überraschend schnell an die Reihe, denn sowohl Berger als auch Steenhoff hielten es für sinnvoller, dass zunächst alle aus der Ermittlungsgruppe das Papier lesen sollten. Steenhoff nickte Wessel zu, der in einem Schnellhefter blätterte und seine Stichworte überflog.
«Also, Silke Raue ist 35 Jahre alt und arbeitet seit Beginn ihrer Berufstätigkeit bei dem Orthopäden. Sie ist ein dominanter Typ und fühlt sich als Chefin ihrer jüngeren Kolleginnen. Außerdem ist sie der Typ falsche Schlange.»
Steenhoff spürte eine leise Verärgerung in sich aufsteigen. Im Gegensatz zu Rüttger brachte Wessel Zeugen schnell Sympathien oder Antipathien entgegen. Die persönlich gefärbten Wertungen und Urteile halfen bei den Ermittlungen aber nicht weiter. Er hatte den Kollegen schon mehrfach darauf aufmerksam gemacht, Wessel verfiel jedoch immer wieder in sein altes Muster.
«Silke Raue und Maike Ahlers sprachen nur das Nötigste miteinander», referierte Wessel. «Nach Raues Überzeugung hatte Maike Ahlers ihr nie verziehen, dass sich dieser Alexander Lösekann in sie verliebt hatte. Sie tat völlig unschuldig und betonte mehrfach, dass sie doch nichts dafürkönne, dass Alexander sich von ihrer Kollegin getrennt habe. Während der gesamten Vernehmung hatte sie kein gutes Wort für Maike Ahlers. Sie bezeichnete sie als faul, als Simulantin und Chaotin, die ihre Männerbeziehungen nicht in den Griff bekommen habe.»
«Was meinte sie damit?», fragte Steenhoff.
«Das wollten wir natürlich auch wissen», erwiderte Wessel. «Silke Raue berichtete, dass Maike Ahlers zweimal einen Patienten aus der Praxis hinauskomplimentiert habe und danach sehr unruhig gewesen sei. Darauf angesprochen, habe Maike Ahlers den Mann nur knapp als ‹Spinner› bezeichnet. Silke Raue habe daraufhin ihre Kollegin aufgefordert, ihre Männergeschichten außerhalb der Praxis zu klären.»
Wessel machte eine Pause. Petersen schüttelte den Kopf und Berger verzog die Mundwinkel. Steenhoff spürte, dass sich inzwischen die gesamte Mordkommission in ihrer Abneigung gegen die Arzthelferin einig war.
«Konnte sie den Mann beschreiben?», wollte Steenhoff wissen. Wessel schüttelte den Kopf. «Sie konnte sich nur daran erinnern, dass der Mann deutlich älter als Maike Ahlers war und volles Haar hatte.»
Steenhoff notierte sich diesen Punkt.
Die Überprüfung der Stalker, deren Opfer sich nach den jüngsten Presseveröffentlichungen gemeldet hatten, war noch lange nicht abgeschlossen. Laut Wessel meldeten sich weiterhin Frauen beim Kriminaldauerdienst, die fest davon überzeugt waren, dass es sich bei ihren aufdringlichen Verehrern um den gesuchten Täter handelte. Auch Rüttger hatte noch nichts Neues zu berichten. Die Überprüfung der Altfälle erwies
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