Brandfährte (German Edition)
einem dramatischen Unterton. «Wir wollen ja schließlich alle nicht, dass der Täter ein zweites Mal so brutal zuschlagen kann», setzte Steenhoff erneut nach. Er hatte sich nicht verrechnet. Die Abwehrfront bröckelte. Am Ende sagte ihm die Archivarin zu, dass er die benötigten Artikel über die tödlichen Unglücksfälle bis zum nächsten Tag haben könnte. Er nahm sich vor, die Kopien persönlich abzuholen und der Frau eine Schachtel Pralinen als Dank mitzubringen.
Bis zum Abend vertiefte er sich in die Zusammenfassung seiner beiden jungen Kollegen. Viele Quellen bezogen sich auf australische, amerikanische und kanadische Studien. Erst in jüngerer Zeit hatten auch deutsche Kriminologen und Wissenschaftler das Thema Stalking als Forschungsthema entdeckt.
Bis zum Wochenende waren sie noch kein Stück weitergekommen. Dafür hatte er zumindest Ira wieder besänftigen können und mit ihr verabredet, nach der Vorgartenaktion bei Martina Benke am Abend mit ihr essen zu gehen und anschließend ein Klezmerkonzert in einem umgebauten Pumpenhaus zu besuchen. Da Steenhoff Ira gegenüber nach ihrem Streit in die Defensive gegangen war und eingeräumt hatte, dass sein Hilfsangebot an die Mieterin seiner Tante angesichts seiner knappen Zeit eine Schnapsidee gewesen war, hatte Ira schließlich auch weitere spitze Bemerkungen runtergeschluckt und Martina Benke nicht weiter erwähnt.
Am Sonnabendmorgen stand Steenhoff früh auf, joggte seine übliche Runde durchs Moor und weckte seine Frau erst, nachdem er geduscht und den Frühstückstisch gedeckt hatte. Dann machte er sich auf den Weg zu Martina Benke. In vier, spätestens fünf Stunden wollte er wieder zurück sein. Er wusste bereits, wie er die Baustelle vor der Doppelhaushälfte möglichst schnell und einfach wieder in einen Vorgarten verwandeln würde. Martina Benke müsste allerdings noch einige Stauden aus dem Gartencenter besorgen, während er die groben Arbeiten übernehmen würde.
Die ungewohnte Arbeit beschäftigte ihn mehr, als er Ira gegenüber zugegeben hatte. Er hatte erst einmal in seinem Leben, und das auch nur mit mäßigem Erfolg, einen kleinen Sitzplatz im hinteren Garten seiner Tante gepflastert. Er fuhr von seinem etwas abseitsgelegenen Haus in Richtung des kleinen Dorfes und bog schließlich auf die Bundesstraße in Richtung Bremen ab. In Gedanken versunken, bemerkte Steenhoff nicht, dass ihm in einiger Entfernung ein blauer BMW mit getönten Scheiben folgte.
Eine knappe halbe Stunde später klingelte er an der Tür von Martina Benke. Die Lehrerin begrüßte ihn mit einem strahlenden Lächeln. Ihre gelockten Haare hatte sie hochgesteckt. Sie trug alte, aber gutsitzende Jeans, wie Steenhoff mit einem Blick feststellte, und eine nagelneue grüne Gärtnerschürze sowie farblich passende Handschuhe. Mit ihrem Äußeren glich sie eher einem Modell aus einer Gartenzeitschrift als einer rückengeplagten Pädagogin.
Steenhoff riss sich von ihrem Anblick los.
«Meine Frau lässt sich übrigens entschuldigen. Sie hatte noch einiges zu erledigen. Aber ich denke, ich werde das hier auch schnell alleine auf die Reihe kriegen.»
Doch da hatte er sich verrechnet. Martina Benke servierte ihm gut gelaunt Kaffee und einen frischgepressten Orangensaft während der Arbeit, aber von ihren Vorstellungen, wie ihr Vorgarten künftig auszusehen hatte, wich sie keinen Zentimeter ab. Hinter ihrer charmanten Art verbarg sich eine Persönlichkeit, die es gewohnt war, ihre Vorstellungen bis ins kleinste Detail durchzusetzen. Nach drei Stunden hatte Steenhoff nur einen Teil dessen geschafft, was er sich vorgenommen hatte. Gegen Mittag meldete er sich bei Ira, um anzukündigen, dass er erst am Nachmittag nach Hause kommen würde, doch unter der Festnetznummer meldete sich niemand. Wie üblich hatte Ira auch ihr Handy ausgeschaltet. Steenhoff vermutete, dass sie entweder bei ihrer Freundin oder im Garten war. Er sprach ihr eine kurze Nachricht aufs Band und vertiefte sich wieder in seine schweißtreibenden Pflasterarbeiten. Am späten Nachmittag waren die neuen Stauden endlich alle eingesetzt und gewässert, ein kleiner Magnolienbaum gepflanzt und der Weg zur Haustür in einem sanften Bogen mit rundem Natursteinpflaster ausgelegt. Als Steenhoff den letzten Stein verlegt hatte, legte sich eine Hand auf seine Schulter.
«Das haben Sie einfach wunderbar gemacht», sagte Martina Benke begeistert. «Darauf sollten wir mit einem Sekt anstoßen.» Steenhoff sah, dass sie einen kleinen
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