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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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war das Kernstück eines etwa sieben Hektar großen Geländes, das Biotech Park hieß und aus lauter sich rasant entwickelnden biotechnologischen Instituten bestand.
    Wir waren gerade erst vor zwei Monaten von unserer alten Adresse an diese neue umgezogen, und ich war noch dabei, mich an das moderne Glas- und Klinkergebäude zu gewöhnen, dessen Fenstereinfassungen das Einzige waren, das an die einstige Architektur des Viertels erinnerte. Unsere neue Arbeitsstätte war hell, hatte einen hellbraunen Kunstharzboden und Wände, die sich problemlos abspritzen ließen. Es gab immer noch eine Menge auszupacken und zu sortieren und wieder einzuräumen, und sosehr es mich freute, endlich ein modernes Leichenschauhaus zu haben, fühlte ich mich heute von allem mehr überfordert denn je. Die tief stehende Sonne schien mir in die Augen, als ich den Wagen auf dem Chefparkplatz in der Tiefgarage abstellte. Ich schloss eine Hintertür auf und betrat das Gebäude.
    Der Flur war makellos sauber und roch nac h industriellem Geruchsentferner, und immer noch standen Kisten mit Kabeln und Schaltbrettern und Farbeimern an den Wänden. Fielding hatte den Edelstahlkühlraum aufgeschlossen, der größer war als die meisten Wohnzimmer, und die Türen zum Autopsiesaal aufgemacht. Ich steckte meine Schlüssel in die Handtasche und steuerte auf die Spinde zu, wo ich aus meiner Jacke schlüpfte. Ich knöpfte den OP-Mantel bis zum Hals zu und tauschte die Pumps gegen die unansehnlichen, schwarzen Reeboks, die ich als meine Autopsieschuhe bezeichnete. Sie waren bespritzt und fleckig und garantiert ein biologisches Risiko, verliehen meinen alles andere als jugendlichen Beinen und Füßen jedoch den nötigen Halt und verließen das Leichenschauhaus nie.
    Der neue Autopsiesaal war viel größer als der vorherige, wie auch seine ganze Raumaufteilung besser war. Es gab keine großen Edelstahltische mehr, die im Boden verankert waren. Die fünf neuen Tische ließen sich beiseite schieben, wenn sie nicht gebraucht wurden, und aus dem Kühlraum herausrollen, und die an die Wände montierten Sektionsbecken waren für Rechts- wie für Linkshänder gleichermaßen geeignet. Unsere neuen Tische hatten ausziehbare Ablagen, sodass wir unseren Rücken schonen konnten, wenn wir Leichen anheben oder bewegen wollten, und es gab Absaugvorrichtungen, die nicht verstopfen konnten, Spülvorrichtungen für Augen und ein spezielles duales Absaugrohr, das mit der Belüftungsanlage des Gebäudes verbunden war.
    Alles in allem hatte der Staat von Virginia mir fast alles gewährt, was ich benötigte, um das Virginia Medical Examiner System ins dritte Jahrtausend hinüberzugeleiten, doch in Wahrheit gab es nichts, das den Namen Veränderung verdient hätte. Jedenfalls nicht zum Besseren. Jedes Jahr untersuchten wir mehr Schäden, di e das Werk von Kugeln und Messerklingen waren, immer mehr Leute strengten schikanöse Prozesse gegen uns an, und die Gerichte beugten das Recht, als sei es eine Selbstverständlichkeit, weil Anwälte logen und Geschworene nicht mehr an Beweisen oder Fakten interessiert zu sein schienen.
    Kühle Luft strömte mir entgegen, als ich die massive Tür des Kühlraums öffnete und an Leichensäcken, blutigen Plastikhauben und steif hervorragenden Füßen vorbeiging. Hände, die mit einer braunen Papiertüte versehen waren, bedeuteten einen gewaltsamen Tod, und die kleineren Säcke erinnerten mich an den Fall von plötzlichem Kindstod und den Zweijährigen, der im Swimmingpool der Familie ertrunken war. Meine Feuertote samt zerbrochenem Glas und allem war noch genau so umwickelt, wie ich sie zurückgelassen hatte. Ich rollte den Sektionswagen hinaus ins grelle fluoreszierende Licht. Dann wechselte ich erneut die Schuhe und ging ans andere Ende des ersten Stocks, wo, ein Stück weg von den Toten, unsere Büros und Besprechungszimmer lagen.
    Es war fast halb neun, und Assistenzärzte und Büropersonal holten sich Kaffee und waren auf dem Flur unterwegs. Wir tauschten die üblichen distanzierten Begrüßungen, während ich auf Fieldings offene Tür zusteuerte. Ich klopfte einmal und ging hinein. Er telefonierte und kritzelte hastig Informationen auf einen Notizzettel.
    »Noch mal, bitte«, sagte er mit seiner kräftigen, burschikosen Stimme, während er den Hörer zwischen Schulter und Kinn geklemmt hielt und sich geistesabwesend mit den Fingern durch das ungebärdige, dunkle Haar fuhr. »Wie war die Anschrift? Wie heißt der Beamte?«
    Er sah nicht auf,

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