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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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lässt.«
    Ich faltete das Blatt mit bebenden Händen auseinander und erkannte die säuberlichen Blockbuchstaben in schwarzer Tinte nicht wieder. Sie hatten so überhaupt nichts gemein mit den bizarren roten Blockbuchstaben in dem Brief, den ich selbst von Carrie erhalten hatte, un d außerdem war der Inhalt dieses Schreibens absolut verständlich. Einen Augenblick überflog ich die lachhaften Behauptungen, die mit dem hauptsächlichen Vorwurf zusammenhingen, sie sei hereingelegt worden, bis mein Blick ruckartig vor dem letzten, langen Abschnitt innehielt.
    Was Special Agent Lucy Farinelli betrifft, so hat sie nur deshalb eine erfolgreiche Karriere aufzuweisen, weil ihre Tante, Dr. Scarpetta, die überaus einflussreiche Gerichtsmedizinerin, jahrelang die Irrtümer und Verfehlungen ihrer Nichte gedeckt hat. Als Lucy und ich gemeinsam in Quantico waren, war sie es, die sich an mich herangemacht hat, und nicht umgekehrt, wie mit ziemlicher Sicherheit vor Gericht behauptet werden wird. Wenn es auch stimmt, dass wir eine Zeit lang ein Verhältnis miteinander hatten, so war das von ihrer Seite doch alles nur darauf berechnet, dass ich sie decken sollte, wenn sie, wie mehrmals geschehen, das CAIN-Programm verpfuscht hatte. Danach heimste sie die Anerkennung für eine Arbeit ein, die sie nie geleistet hatte. Ich versichere Ihnen, dies ist die heilige Wahrheit. Ich schwöre es bei Gott. Und ich bitte Sie, diesen Brief abzudrucken, damit jeder ihn lesen kann. Ich möchte mich nicht mein ganzes restliches Leben lang verstecken müssen, verurteilt von der Gesellschaft für Taten, die ich nicht begangen habe. Meine einzige Hoffnung, Freiheit und Gerechtigkeit zu erlangen, besteht darin, dass andere Menschen die Wahrheit erkennen und ihr Geltung verschaffen. Erbarmen Sie sich meiner, Carrie Grethen
    Marino rauchte wortlos, bis ich zu Ende gelesen hatte, dann sagte er: »Der Verfasser weiß einfach zu gut Bescheid. Deshalb habe ich keinen Zweifel, dass das Miststück den Brief geschrieben hat.«
    »Erst schreibt sie mir einen Brief, der das Werk einer Geistesgestörten zu sein scheint, und dann lässt sie diesen folgen, etwas, das sich völlig vernünftig anhört?«, sagte ich, und mir war schlecht vor Aufregung. »Wie soll das denn zusammenpassen, Marino?«
    Er zuckte mit den Schultern, und die ersten Regentropfen begannen zu fallen.
    »Wenn Sie meine Meinung hören wollen«, sagte er, »sie hat Ihnen ein Zeichen geschickt. Sie wollte Ihnen klarmachen, dass sie mit den Leuten umspringen kann, wie sie will. Die kommt nur auf ihre Kosten, wenn sie Ihnen das Leben zur Hölle machen kann.«
    »Weiß Benton schon davon?«
    »Noch nicht.«
    »Und Sie glauben wirklich, dass die Zeitung das abdrucken wird?«, fragte ich noch einmal, in der Hoffnung, dass seine Antwort diesmal anders ausfallen würde.
    »Sie wissen doch, wie so was läuft.«
    Er ließ den Zigarettenstummel fallen, der Funken stiebend am Boden weiterglühte.
    »Der springende Punkt ist doch, dass die berüchtigte psychopathische Killerin auf diese Weise Kontakt zu Ihnen aufnehmen konnte, während ungefähr die Hälfte aller Polizeikräfte hinter ihr her ist«, sagte er. »Und die andere schlechte Nachricht ist, dass wir nicht wissen können, ob sie denselben Brief nicht noch an andere geschickt hat.«
    »Arme Lucy«, murmelte ich.
    »Ja, oder sagen wir besser: arme Allgemeinheit«, antwortete Marino.

7
     
    Schräg peitschte der Regen wie Nägel herab, als ich nach Haus fuhr. Ich konnte fast nichts erkennen. Das Radio hatte ich abgestellt, weil mein Bedarf an Neuigkeiten für heute gedeckt war, und ich war sicher, dies würde eine dieser Nächte werden, in denen ich zu aufgedreht war, um zu schlafen. Zweimal bremste ich bis auf 30 Meilen herunter, als meine schwere Mercedes-Limousine durchs Wasser schoss wie ein Rennboot. In Unebenheiten und Schlaglöchern auf der West Cary Street stand das Wasser wie in Badewannen, und die blauen und roten Warnleuchten, die durch den Wolkenbruch zuckten, mahnten mich, mir Zeit zu lassen.
    Es war fast zehn, als ich endlich in meine Einfahrt bog, und ein mulmiges Gefühl beschlich mich, als der Bewegungsmelder vor meiner Garage dunkel blieb. Die Finsternis war vollkommen, und nur das Brummen meines Motors und das Trommeln des Regens sagten meinen Sinnen, in was für einer Welt ich mich gerade befand. Für einen Augenblick wusste ich nicht, ob ich mein Garagentor öffnen oder einfach davonpreschen sollte.
    »Das ist ja lächerlich«, sagte

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