Brandherd
ich laut zu mir selbst, während ich einen Knopf an der Sonnenblende drückte. Das Tor reagierte nicht.
»Verdammt!«
Ich legte den Rückwärtsgang ein und setzte zurück, ohne die Auffahrt oder die Klinkereinfassung oder auch nur die Sträucher dahinter erkennen zu können. Der Baum, den ich streifte, war nur klein und richtete keinen Schaden an, doch war ich mir sicher, dass ich einen Teil des Rasens aufgewühlt haben musste, während ich zur Vorderseit e meines Hauses steuerte, wo Timer im Innern wenigstens einige Lampen eingeschaltet hatten und das Licht im Foyer. Die Bewegungsmelder zu beiden Seiten der Haustür waren allerdings dunkel geblieben. Ich sagte mir vernünftigerweise, dass das Unwetter einen Stromausfall verursacht haben musste und vermutlich irgendeine Sicherung durchgebrannt war.
Der Regen peitschte in meinen Wagen, als ich die Tür öffnete. Hastig griff ich nach Handtasche und Aktenmappe und eilte die Stufen empor. Als ich die Haustür öffnete, war ich durchnässt bis auf die Haut, und die Stille, die mich empfing, versetzte mich in ängstliche Anspannung. Die Lämpchen, die am Keypad der Tür aufleuchteten, bedeuteten, dass der Einbruchalarm ausgelöst worden war, oder vielleicht hatte ihn ja auch ein Stromstoß außer Gefecht gesetzt. Das spielte jedoch keine Rolle mehr. Mittlerweile war ich starr vor Angst und traute mich nicht, mich von der Stelle zu bewegen. So stand ich im Eingang, das Wasser tropfte auf den Hartholzboden, während ich fieberhaft überlegte, wo die nächste Pistole lag.
Ich konnte mich nicht erinnern, ob ich meine GlockPistole wieder in die Schublade der Küchentheke zurückgelegt hatte. Das wäre zweifellos näher als mein Büro oder mein Schlafzimmer, die auf der anderen Seite des Hauses lagen. Der Wind peitschte den Regen gegen Mauern und Fenster. Angestrengt horchte ich auf andere Geräusche, das Knarren eines Fußbodens im Obergeschoss oder Schritte auf einem Teppich. In einem Anfall von Panik ließ ich Aktenmappe und Handtasche einfach fallen und rannte durch das Esszimmer in die Küche. Die Beine versagten mir beinahe den Dienst. Ich riss die unterste Schublade der Küchentheke heraus und schrie beinah auf vor Erleichterung, als meine Hand an die Pistole stieß.
Eine Weile verbrachte ich wieder damit, mein Haus zu durchsuchen und in sämtlichen Räumen Licht zu machen. Beruhigt, dass ich keine unerwünschten Gäste hatte, überprüfte ich den Sicherungskasten in der Müllkammer und drückte die Sicherungen wieder ein, die herausgesprungen waren. Die Ordnung war wiederhergestellt, die Alarmanlage wieder in Betrieb, und so machte ich mir ein Glas Black Bush Irish Whiskey auf Eis und wartete, dass meine Nerven sich wieder beruhigten. Ich rief Johnson's Motel in Warrenton an, aber Lucy war nicht dort. Also versuchte ich es in ihrer Wohnung in D.C. und Janet nahm ab.
»Hi, hier Kay«, sagte ich. »Ich hoffe, ich habe niemanden geweckt.«
»Oh, hallo Dr. Scarpetta«, sagte Janet, die mich beharrlich nicht beim Vornamen nannte, obwohl ich sie schon x-mal dazu aufgefordert hatte. »Nein, nein, ich sitze hier bloß bei einem Bier und warte auf Lucy.«
»Ach so«, sagte ich, sehr enttäuscht. »Dann befindet sie sich auf dem Heimweg von Warrenton?«
»Sie bleibt aber nur ganz kurz. Sie sollten sich die Wohnung mal ansehen. Überall Kisten. Ein Chaos.«
»Wie verkraftest du das denn alles, Janet?«
»Das weiß ich selbst noch nicht«, sagte sie, und ich hörte das Zittern in ihrer Stimme. »Es wird eine Umstellung sein. Und das ist weiß Gott nicht das erste Mal.«
»Und ich bin überzeugt, ihr schafft das auch diesmal wieder mit Glanz und Gloria.«
Ich nippte an meinem Whiskey und glaubte selbst nicht an das, was ich gerade gesagt hatte, doch im Augenblick war ich einfach dankbar, eine warme, menschliche Stimme zu hören.
»Als ich verheiratet war - vor Urzeiten -, lebten Tony und ich gewissermaßen auf zwei völlig verschiedenen Ebenen«, sagte ich. »Doch wir haben es geschafft, Zeit füreinander zu finden und mit dieser Zeit etwas anzufangen.«
»Und außerdem haben Sie sich auch scheiden lassen«, gab sie in höflichem Ton zu bedenken.
»Nicht am Anfang.«
»Lucy braucht mindestens noch eine Stunde, bis sie hier ist, Dr. Scarpetta. Soll ich ihr irgendetwas ausrichten?«
Ich zögerte, weil ich nicht recht wusste, was ich sagen sollte.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Janet daraufhin.
»Eigentlich nicht«, sagte ich. »Vermutlich hast du es noch gar
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