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Brandnacht (German Edition)

Brandnacht (German Edition)

Titel: Brandnacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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jeden Tag zweimal hier vorbei und schwenkt den Baseballschläger.«
    Das, was von der Tür übrig war, schnellte auf und krachte gegen eine Kiste; ein paar Glasscherben schepperten zu Boden.
    Der sächsische Cowboy stürmte herein.
    »Die Stasi is' im Anrollen!« Er blieb verdutzt stehen.
    »Du meinst, der Bulle kommt.«
    Heiner sah den Typ mit dem Stetson verblüfft an.
    »Wer ist das denn?«
    »Er ist zu weit nach Westen gegangen«, sagte ich, stand auf und klopfte dem Sachsen auf die Schulter. »Danke, Kumpel.« Dann drehte ich mich noch mal zu Heiner um und sagte: »Ich muss los, bis später!«
    Damit rannte ich raus, sprang in den Camaro und drehte den Schlüssel im Zündschloss um. Der V8-Motor brummte satt. Im Rückspiegel sah ich, wie sich ein schlaksiger Uniformierter mit Hakennase dem Laden näherte. Die Handschellen an seinem Gürtel blinkten in der Sonne. Ich gab Gas.
    Am Abend besuchte ich den Landser. Vorher warf ich einen Blick auf Heiners Laden und stellte zufrieden fest, dass er seine Tür vernagelt und mit einem Vorhängeschloss gesichert hatte.
    Es war nicht schwer, die richtige Klingel zu finden, denn jemand hatte neben das Namensschild ein Hakenkreuz gemalt. Ich klingelte. Es war einundzwanzig Uhr, genau die richtige Zeit, um jemanden in seiner beginnenden Abendlethargie zu stören. Die meisten Leute werden fuchsteufelswild, wenn man sie im Unterhemd, mit karierten Hausschuhen und einer halb leeren Bierflasche in der Hand vor dem Fernseher ertappt. Nicht so A. Hattler. Er plärrte etwas Unverständliches durch die Gegensprechanlage und öffnete die Tür, ohne auf eine Antwort zu warten. Ich stieg durch ein muffiges 1950er-Jahre-Treppenhaus in den zweiten Stock hinauf.
    Er stand in der geöffneten Wohnungstür, im Unterhemd, mit karierten Hausschuhen und einer halb leeren Bierflasche in der Hand. Hinter ihm flackerte der Fernseher. Er tippte sich mit der Bierflasche leicht gegen die Schläfe.
    »Na, min Jung, so spät noch Klinken putzen?« Er lächelte breit. Sein mächtiger Bauch und der kahle Schädel passten zu Flasche und Outfit genauso gut wie der Frikadellendunst, der mir entgegenschlug. Ich sagte brav Guten Abend und reichte ihm meine Karte.
    »Ein Privatdetektiv«, sagte er fröhlich. »Das ist doch mal was anderes als immer nur diese Leute vom Verfassungsschutz.«
    Er hatte diesen Ohnsorg-Singsang drauf. Ein gemütliches Kerlchen. Seine Oberarme waren tätowiert: ein Herz, durch das sich eine V2-Rakete bohrte, darunter »Adolf«. Dazu ein Gewirr von Hakenkreuzen, kunstvoll verschachtelt.
    »Komm rin, min Jung, willst 'n Bier?«
    Als ich vor ihm stand, merkte ich, dass er größer war, als ich zunächst gedachte hatte. Stiernacken und unter den Fettpolstern funktionstüchtige Muskeln. Er drehte sich um, und ich folgte ihm ins Wohnzimmer. Die Fenster waren mit Zeltplanen in Tarnfarben verhängt. Vor dem einen stand ein Stativ, über das ein braunes Tuch gehängt war.
    Im Fernsehen war Krieg. Granaten hagelten, Maschinengewehrsalven blitzten, Geschütze donnerten. Die Wohnung war klein. Vom Wohnzimmer gings in eine Kochnische. Dort zog Hattler den Kühlschrank auf, drehte sich um und fragte durch das Kriegsgetöse hindurch: »Bier?«
    Ich nickte. Er kam zurück, setzte sich in einen zerschlissenen Sessel und deutete auf das ebenso schrabbelige Sofa. »Setz dich doch, min Jung.« Ich tat es und kam mir augenblicklich vor wie ein Hund, der seinem Herrchen gegenübersitzt. Er überragte mich, weil die Federn im Sofa defekt waren und ich tief einsank. Ich war hilflos. Er konnte mich jederzeit überwältigen.
    Scheiße, dachte ich, hilflos in der Wohnung eines Nazis.
    Er stieß seine Bierflasche gegen meine, »prosit«, und nahm einen großen Schluck.
    Ich nippte. Mit der Fernbedienung stellte er den Ton leiser und deutete auf den Fernseher.
    »Stalingrad!«, sagte er und strahlte übers ganze Gesicht. »Wurde in Babelsberg gedreht, min Jung. Wir sind wieder wer!«
    »Bitte?«
    »Im Filmgeschäft. Vorbei ist die Zeit, wo die Amis Nazifilme gemacht haben. Die immer mit ihren fiesen blonden Nazischuften. Hats etwa blonde Hünen unter den Naziführern gegeben?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Hitler war ein dunkelhaariger Zwerg, min Jung! So eine Blamage. Wär mir lieber gewesen, er hätte ausgesehen wie Rutger Hauer, falls du den kennst.«
    »Blade Runner.«
    »Genau.« Er deutete wieder auf den Fernseher. »So ein Film kann uns helfen, aber zuerst muss die Politik uns den Weg ebnen.«
    Ich sah

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