Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
Jeans und ein Sweatshirt. Ich mußte mich anstrengen, als ich die Blumen zum Auto hinunterschleppte. Ich fuhr zum Broadway hinüber und kaufte mir dort ein Bagel, einen Apfel und Milch.
Mein Versuch, gleichzeitig zu essen und zu fahren, zeigte, in welchem Stadium der Heilungsprozeß war – mit beiden Händen konnte ich das Lenkrad bedienen. Wenn ich nur eine Hand nahm, brannte die Handfläche, und das Handgelenk tat weh. Ich fuhr an der Kreuzung zwischen der Diversey Avenue und der Pine Grove Avenue an den Straßenrand, um zu essen. Die tropischen Blumen füllten das Auto mit ihrem schweren Duft, der es schwierig machte, ohne Magenbeklemmung zu essen. Ich kurbelte das Fenster ganz herunter, aber der Geruch stieg mir trotzdem zu Kopf. Schließlich stürzte ich die Milch hinunter und fuhr nach Süden, ohne das Bagel aufgegessen zu haben.
Der Sonntagmorgen ist in Chicago die beste Zeit zum Autofahren, weil so gut wie kein Verkehr herrscht. Ich schaffte die fünfzehn Kilometer zum Michael Reese in einer Viertelstunde, ohne das Tempolimit zu überschreiten.
Das schwere Bukett in den dritten Stock zu schaffen, belastete die heilenden Handflächen und Schultern so, daß ich es kaum ertrug. Als ich aus dem Aufzug trat, erbot sich ein mitfühlender Pfleger, es mir abzunehmen.
»Die sind ja wunderschön. In welches Zimmer sollen sie?«
Ich nannte ihm Elenas Zimmernummer. Er trug die Schale so mühelos, als ob es ein Football wäre – so mühelos, wie ich das vor einer Woche auch gekonnt hätte. Ich folgte ihm den Flur entlang und in Elenas Zimmer. Eine Frau, etwa in meinem Alter, saß in Elenas Bett und las die
Tribune.
Mir klappte der Unterkiefer leicht herunter, wie es einem ergeht, wenn man auf etwas nicht gefaßt ist. »Meine Tante«, sagte ich wie vor den Kopf geschlagen. »Sie war am Freitag hier.«
»Vielleicht ist sie entlassen worden«, meinte der Pfleger.
»Sie war in keinem besonders guten Zustand. Vielleicht ist sie verlegt worden.« Ich eilte ins Schwesternzimmer.
Eine Frau in mittleren Jahren schrieb ausführliche Notizen in ein Krankenblatt. Ich wollte sie unterbrechen, aber sie hob warnend die Hand und schrieb weiter.
Schließlich schaute sie mich an. »Ja?«
»Ich bin V.I. Warshawski. Meine Tante, Elena Warshawski, war hier – sie hat einen Schlag auf den Kopf bekommen und war etwa einen Tag lang bewußtlos. Ist sie verlegt worden?«
Die Schwester schüttelte majestätisch den Kopf. »Sie ist seit gestern fort.«
»Fort?« echote ich benommen. »Aber – man hat mir gesagt, daß sie in einem schlechten Zustand ist, daß sie einen Monat Rehabilitation braucht. Wie hat man sie nur entlassen können?«
»Sie ist nicht entlassen worden. Sie ist von sich aus gegangen. Hat die Kleider der Frau, mit der sie im Zimmer lag, gestohlen und ist verschwunden.«
Mir drehte sich wieder der Kopf. Ich mußte mich an der Schreibtischplatte festhalten. »Wann war das? Warum hat mich niemand angerufen?«
Die Schwester erklärte, Einzelheiten wisse sie nicht. »Die Krankenhausverwaltung hat die Person angerufen, die im Aufnahmeformular als nächster Verwandter genannt wurde. Vielleicht waren sie im Büro der Meinung, Sie müßten nicht benachrichtigt werden.«
»Ich bin ihre nächste Verwandte.« Vielleicht hatte sie jedoch Peters Namen angegeben – ich durfte mein Recht, als ihre nächste und liebste Angehörige zu gelten, nicht überstrapazieren. »Können Sie mir sagen, wann sie verschwunden ist?«
Sie ließ entnervt den Bleistift fallen. »Fragen Sie die Polizei. Sie hat gestern einen Beamten hergeschickt. Er war ziemlich verärgert und hat alle Einzelheiten aufgenommen.«
Ich war nahe daran, aus Frustration und Verwirrung zu schreien. »Sagen Sie mir seinen Namen, dann wird es mir ein Vergnügen sein, mit ihm zu reden.«
Sie seufzte hörbar und ging zum Aktenschrank. Der Pfleger hatte die ganze Zeit mit den Blumen hinter mir gestanden.
»Wollen Sie die wieder mitnehmen, Miss?« fragte er, während ich wartete.
»Ach, geben Sie sie dem Patienten, der schon am längsten ohne Besuch hier liegt«, sagte ich kurz angebunden.
Die Schwester kam mit einem Aktendeckel zurück. »Michael Furey, Detective«, las sie vor, ohne aufzuschauen. Sie nahm sich wieder das Krankenblatt vor, an dem sie gearbeitet hatte, ehe ich sie störte. Das Interview war eindeutig zu Ende.
Als ich wieder im Auto saß, zitterten mir die Arme – ich hatte sie überanstrengt, als ich Ralph MacDonalds Blumen schleppte. Elena war also
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