Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
Kuchen abbekam.
Mit einem gewissen Maß an Selbstbetrug redete ich mir ein, ich müsse auf dem Rückweg zum Loop sowieso an der Ryan-Baustelle vorbeifahren. Es war eigentlich kein weiter Abstecher von meiner rechtmäßigen Arbeit, wenn ich nach Luis Ausschau hielt.
Ich fuhr über die Halsted Street in die Cermak Road und schlängelte mich dann unter den Stützpfeilern des Expressway hindurch, auf der Suche nach einem Weg in das Baugebiet. In der Nähe der Auffahrtsrampe zum Lake Shore Drive parkten Autos und Lieferwagen. Ich lenkte den Chevy von der Straße weg auf den zerfurchten Boden unter der Autobahnbrücke und ließ ihn neben einem neuen Modell von Buick stehen.
Wieder war ich für einen Baustellenbesuch unpassend angezogen, obwohl Hosen aus Leinengewebe schon eher durchgehen mochten als Seidenhosen. Ich bahnte mir den Weg durch die tiefen Löcher, um verbogene Stücke von Stützträgern herum, vorbei am Müll aus zehntausend mitgebrachten Mittagsmahlzeiten, und ging die Rampe Richtung Süden hinauf.
Als ich nach oben kam, wurde der Lärm der Maschinen unerträglich. Ungeheuer mit riesigen meißelbewehrten Armen setzten dem Beton zu, hinterließen drei Meter lange Risse. Nach ihnen kamen Preßlufthämmer und zermalmten die Straßendecke in Stücke. Und in ihrem Schlepptau rumpelten Lastwagen, um die Reste abzutransportieren. Hunderte von Männern und sogar ein paar Frauen arbeiteten hier.
Ich musterte das Gewühl skeptisch vom Rand der Rampe aus, fragte mich, wie ich je jemanden auf mich aufmerksam machen konnte, ganz davon zu schweigen, wie ich einen kleinen Bauunternehmer finden sollte. Jetzt, wo ich hier war, wollte ich auf keinen Fall aufgeben, aber ich hätte Arbeitsstiefel, Ohrenschützer und dazu einen Helm tragen sollen. So wie ich angezogen war, konnte ich nicht zwischen den Maschinen und den in der Straßendecke klaffenden Löchern herumklettern.
Als ich mich vorsichtig dem Rand der Rampe näherte, löste sich ein kleiner Mann, der in der dicken Arbeitskleidung rundlich wirkte, aus dem nächsten Trupp und kam zu mir herüber.
»Helmpflicht, Miss.« Sein Ton war schroff und abschließend.
»Sind Sie der Vorarbeiter?« fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Hier gibt’s dutzendweise Vorarbeiter. Wen suchen Sie?«
»Jemand, der mir den Trupp von Alma Mejicana zeigen kann.« Ich mußte mir die Hände vor den Mund legen und ihm direkt ins Ohr schreien.
Er schenkte mir den Blick erschöpfter Resignation, den Männer an sich haben, wenn ahnungslose Frauen sie bei ihrer Spezialistenarbeit stören. »Hier gibt’s Hunderte von Bauunternehmen. Ich kenne nicht alle.«
»Deshalb will ich den Vorarbeiter sprechen«, brüllte ich.
»Sprechen Sie mit dem Projektleiter.« Er deutete auf einen Bauwagen, der am Straßenrand parkte. »Und kommen Sie nächstes Mal nicht ohne Helm her.«
Er machte kehrt und marschierte zu seinem Trupp zurück, ehe ich mich bei ihm bedanken konnte. Ich stolperte über die herausragenden Stahlstreben zum Straßenrand. Wie das Terrain unter dem Expressway war auch der Randstreifen ein Sumpf aus Schlamm, Betonbrocken und Müll geworden. Ich kam nur langsam voran, begleitet von einer Reihe von Pfiffen. Ich schnitt eine Grimasse und ignorierte sie.
Im Bauwagen herrschte ein Chaos in kleinerem Maßstab. Kreuz und quer auf dem Boden Telefon- und Stromleitungen, darüber Tische, bedeckt mit Blaupausen, Telefonen, Computerschirmen – das ganze Zubehör einer großen Baufirma in einen viel zu engen Raum gestopft.
Mindestens ein Dutzend Leute drängte sich hier, man sprach miteinander oder – wie ich den Rufen entnahm, die ich aufschnappte – telefonierte mit den Trupps auf der Baustelle. Niemand beachtete mich. Ich wartete, bis der Mann, dem ich am nächsten war, den Hörer auflegte, und ging zu ihm, ehe er eine neue Nummer wählen konnte.
»Ich muß den Trupp von Alma Mejicana finden. Wer kann mir sagen, wo er arbeitet?«
Er war ein stämmiger Weißer Ende Sechzig mit rötlichem Gesicht und kleinen grauen Augen. »Sie dürfen nicht ohne Helm auf die Baustelle.«
»Das ist mir klar«, sagte ich. »Wenn Sie mir sagen, wo der Trupp arbeitet, besorge ich mir einen Helm, ehe ich hingehe und mit ihnen rede.«
»Haben Sie einen besonderen Grund dafür?« Die kleinen Augen verrieten nichts.
»Sind Sie der Projektleiter?«
Er zögerte, als überlege er, ob er den Titel in Anspruch nehmen solle, dann sagte er, er sei ein stellvertretender Geschäftsführer. »Wer sind Sie?«
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