Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
Sünde halten. Falls Ralph MacDonald die Wahrheit gesagt hatte und Roz eine Jugendsünde verheimlichte, dann handelte es sich vielleicht um etwas aus ihrer Kindheit im Mexiko. Und das war mir nun scheißegal. Ich begriff einfach nicht, warum sie davon ausging, ich interessierte mich dafür.
»Es geht dich nichts an, Vic«, sagte ich laut. »Denk dran – manche Leute halten dich für eine Nervensäge.«
Ein Mann, der das Lesegerät für Mikrofiches neben mir benutzte, schaute verärgert hoch. Ich starrte konzentriert auf den Schirm vor mir, schürzte die Lippen, kritzelte eine Notiz und tat, als hätte ich nichts gehört – oder gesagt.
Es war wirklich Zeit, mich um meine Klienten zu kümmern. Trotzdem machte ich mir eine echte Notiz, schrieb den Namen von Schmidts Firma auf, Alma Mejicana, und die Adresse in der Ashland Avenue. Vielleicht ließ sich herausfinden, wieviel Umsatz er machte. Oder ich konnte hinüber zur Abteilung für das County gehen und herausfinden, ob er in letzter Zeit Aufträge vom County bekommen hatte.
Das erwies sich als fruchtlose Idee. Sie führten natürlich über die Aufträge Buch, aber ich hätte wissen müssen, um welches Projekt es sich handelte, wenn ich Namen von beauftragten Firmen erfahren wollte. Sie erlaubten mir nicht, auf der Suche nach einem Bauunternehmer die ganzen Aktenstapel durchzugehen. Ich lutschte an den Zähnen. Nun war es aber
wirklich
Zeit, mit der Arbeit anzufangen.
Als ich mich umdrehte und gehen wollte, öffnete sich die Tür am Ende des Flurs, und Boots kam herein, umringt von einer Handvoll Männer, die zuhörten, während er irgendein Machtwort sprach. Er sah mich und schenkte mir auf dem Weg in sein Büro das legendäre Lächeln und ein Winken. Er erinnerte sich nicht persönlich an mich, aber er wußte, daß er mich kannte. Es war ein seltsames Gefühl – wider Willen spürte ich, daß mir warm ums Herz wurde, weil er mich erkannte, und ich erwiderte sein Lächeln eifrig.
Vielleicht tat ich den nächsten Schritt und mischte mich weiter in Rosalyns Angelegenheiten, weil ich Boots’ magischen Bann brechen wollte. Ich rief Alma Mejicana an, sagte, ich sei von der Bauaufsicht und wolle wissen, wo sie heute arbeiteten. Der Mann am Telefon sprach Englisch mit starkem Akzent und verstand meine Frage nicht. Nach ein paar ergebnislosen Versuchen legte er den Hörer weg und holte jemand anders.
Ich hatte Luis Schmidt nur einmal getroffen, aber mir kam es so vor, als gehöre die argwöhnische Stimme ihm. Für den Fall, daß er ein gutes auditives Gedächtnis hatte, sprach ich im näselnden Ton der Südseite und wiederholte meinen Sermon.
Er schnitt mir das Wort ab, ehe ich den ganzen Text aufsagen konnte. »Wir haben keine Probleme; wir brauchen niemand, der uns auf die Finger schaut, schon gar keine Spione von der Bauaufsicht.«
»Ich unterstelle ja gar nicht, daß Sie Probleme haben.« Es war schwer, beredt und gleichzeitig nasal zu klingen. »Wir haben gehört, daß Minderheitenfirmen bei Bauarbeiten in Chicago schlampigere Sicherheitsmaßnahmen nachgesehen werden als Unternehmen mit anderen Inhabern. Wir machen Stichproben, um uns zu vergewissern, daß das nicht der Fall ist.«
»Das ist Rassismus«, sagte er hitzig. »Ich gestatte nicht, daß Rassisten meine Arbeit überwachen. Punkt. Gehen Sie aus der Leitung, ehe ich Sie wegen Verleumdung verklage.«
»Ich versuche doch nur, Ihnen zu –« fing ich mit näselnder Rechtschaffenheit an, aber er legte auf, ehe ich den Satz beenden konnte.
Okay. Alma Mejicana wollte nicht, daß sich die Bauaufsicht auf ihren Baustellen herumtrieb. Daran war nichts Seltsames. Viele Unternehmen wollen keine Teams von der Bauaufsicht. Mach jetzt also Schluß, Vic. Beschäftige dich wieder mit Projekten für Leute, die dich bezahlen.
Dieser weise Rat führte mich in die Bibliothek der Universität von Illinois, wo ich im Computerregister für den
Herald-Star
unter Alma Mejicana nachschaute. Und zu meiner Freude hatten sie den Auftrag bekommen, am Neubau des Dan Ryan Expressway mitzuarbeiten. In einem Artikel vom 2. Februar zählte die Zeitung alle Unternehmen im Besitz von Minderheitenfirmen oder von Frauen auf, die an dem Projekt beteiligt waren. Ich erinnerte mich an den Protest von schwarzen Gruppen gegen die zu kleine Zahl von Minderheitenunternehmen, die mitarbeiten durften; angesichts der rassisch-ethnischen Isolierung in Chicago glaubte ich nicht, daß es sie friedlicher stimmte, wenn Alma Mejicana ein Stück vom
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