Brandung des Herzens
Zahn um Zahn, Leben um Leben, die Vergan-genheit, die bis in die Gegenwart nachhallte und den tödlichen Kreis schloß:
Dann soll es eben so sein.
Außer, daß es nicht sein konnte. Caleb wollte Willow nicht allein in den Bergen zurücklassen, ohne jeden Schutz, eine Frau, die unfreiwillig von ihrem Liebhaber verlassen wurde, aber nichtsdestoweniger verlassen...
Wird sie auf die gleiche Weise sterben, wie Rebecca starb, in Todesangst und Erschöpfung, das dem Tode geweihte Kind ihres Liebhabers unter dem Herzen ?
Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben.
Galle stieg in Calebs Kehle auf, während er gegen den bloßen Gedanken rebellierte, Willow zu verletzen. Er konnte das nicht dem Mädchen antun, dessen einzige Sünde darin bestand, zu innig zu lieben. Sie hatte nichts getan, um einen solchen Verrat zu verdienen.
Noch hatte Rebecca Schuld auf sich geladen. Dennoch war sie verraten worden, hatte qualvoll sterben müssen. Der Mann, der ihr Leiden und Tod gebracht hatte, lief frei herum, konnte jederzeit eine andere Unschuld verführen, sie im Stich lassen und einen weiteren brutalen Kreis von Verrat und Rache erschaffen.
Gepeinigt von einer Qual, die mit jedem Schritt vorwärts größer wurde, suchte Caleb nach einem Ausweg aus der Falle von Pflicht und Begehren und Tod. Er fand keine Lösung, außer der, den Verführer am Leben zu lassen und damit irgendein unbekanntes Mädchen dazu zu verdammen, verführt und im Stich gelassen zu werden - und dann noch ein Mädchen und dann noch eines und immer so weiter, denn die Begierde eines Mannes erwachte mit der Sonne und fand nur in der dunklen Wärme eines Frauenschoßes Ruhe.
Als Caleb in den dunklen Canyon hineinritt, fragte er sich verzweifelt, wie er Reno am Leben lassen konnte und sich trotzdem weiter als Mann bezeichnen durfte.
15. Kapitel
Felswände ragten drohend zu beiden Seiten der schmalen Schlucht auf, verdeckten alles bis auf einen dünnen Streifen Himmel über ihnen. Hoch oben war der Berggipfel immer noch in klares Sonnenlicht gebadet, aber auf dem Boden der Schlucht krochen bereits dunkle Vorboten der Nacht aus jeder Felsspalte. Die dichten Schatten waren genau das, was Caleb gesucht hatte. Er stieg aus dem Sattel und ging zu Willow zurück.
»Kein Feuer«, sagte er gedämpft.
Willow nickte, zum Zeichen, daß sie verstanden hatte. Sie hatte das Gewehrfeuer vor einer halben Stunde deutlich gehört. Zwei Schüsse. Es war jedoch unmöglich gewesen, die Richtung der Schüsse zu bestimmen, weil das Echo zu oft von steinernen Wänden widergehallt war, bevor es ihre Ohren erreicht hatte.
»Wie nahe?« erkundigte sie sich leise.
Caleb wußte, sie fragte wegen der Schüsse, die sie beide gehört hatten. Er blickte zum Rand der Schlucht hinauf und zuckte die Achseln. »Vielleicht gleich im benachbarten Canyon. Könnte aber auch ein ganzes Stück weiter weg sein, eine Meile quer durch das Becken und dann einen anderen Gipfel hinauf. Schwer zu sagen. Der Schall trägt hier oben sehr weit.«
Während Caleb die Pferde zwanzig Meter weiter flußabwärts anpflockte, füllte Willow die Feldflasche in dem schmalen Bach, der aus einer Einkerbung hoch oben in der Felswand heruntersprudelte. Das Wasser war so kalt, daß ihre Hände schmerzten. Ein eisiger Wind wehte von dem versteckten Gipfel herab und blies durch die Schlucht, ließ Willow frösteln trotz ihrer dicken Wolljacke.
»Ich habe noch niemals Wasser getrunken, das so kalt war«, sagte sie, als sie Caleb die Feldflasche reichte. »Meine Zähne haben davon geschmerzt.«
»Schmelzwasser«, erklärte Caleb knapp. Er nahm Willows
Hände und rieb sie zwischen seinen eigenen, um ihr von seiner eigenen Körperwärme zu spenden. »Fast wie Eis.« Er hauchte seinen warmen Atem über ihre Fingerspitzen, bevor er seine Schaffelljacke öffnete und ihre Hände hineinzog. Dann lächelte er zärtlich auf Willow hinunter. »Besser?«
»Viel besser.«
Willow erwiderte sein Lächeln und gab einen murmelnden Laut des Wohlbehagens von sich, während sie ihre Hände über Calebs warme Brust gleiten ließ. Wenige Augenblicke später hatte sie den Hemdknopf über seiner Gürtelschnalle geöffnet und eine Hand unter den Stoff geschoben, um die Hitze seiner Haut zu kosten. Er sog zischend den Atem ein, als sich ihre Finger zärtlich in den schmalen Streifen von Haar gruben, der seinen Unterkörper hinablief.
»Du bist besser als jedes Feuer«, flüsterte Willow und drehte ihre Hand um, um auch die Außenseite zu wärmen.
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