Brandung des Herzens
Büsche zuzuschleichen. Calebs Hand schoß vor und hielt Reno an der Schulter zurück.
»Keine Schießerei«, sagte Caleb gedämpft. »Es gibt eine leisere Methode.«
Er schlüpfte aus seinen Stiefeln, zog ein langes Jagdmesser aus dem Gürtel und glitt auf bestrumpften Füßen und mit der muskulösen Lautlosigkeit eines Pumas in das Gestrüpp.
Eine Bewegung von Willow erregte Renos Aufmerksamkeit. Er beobachtete, wie sie ein Gewehr ergriff und sich dann aufstellte, mit dem Rücken zu ihm. Gemeinsam warteten sie auf Calebs Rückkehr, während jeder einen anderen Weg aus der Schlucht hinaus bewachte.
Die langen Minuten des Wartens gaben Reno reichlich Gelegenheit zu erkennen, in wie vielfältiger Hinsicht seine Schwester sich verändert hatte. Die Willow, an die er sich erinnerte, war ein lachender, übermütiger Wirbelwind gewesen, ein Mädchen, das sich von seinen älteren Brüdern vor dem launischen Naturell des Vaters beschützen ließ. Die Schwester, die ihm jetzt den Rücken zukehrte, war eine ernste junge Frau, bereit, selbst um ihr Leben zu kämpfen. Und um das ihres Liebhabers.
Willow konnte sich später nicht mehr erinnern, wie lange es gedauert hatte, bis das unheimliche Heulen eines Wolfs durch die Schlucht trieb, das Signal, das Calebs Rückkehr ankündigte. Sie fuhr in die Richtung herum, aus der der Laut kam, gerade als Caleb aus dem schützenden Gebüsch trat. Rasch lief sie zu ihm, und ihre Blicke glitten suchend über ihn wie Hände.
Als sie das Blut auf seiner Schaffelljacke sah, schnappte sie erschrocken nach Luft.
»Ruhig, Honey. Ruhig. Mit mir ist alles in Ordnung«, murmelte Caleb und nahm ihr das Gewehr aus den plötzlich zitternden Händen.
»Blut«, sagte sie.
»Nicht meines.« Er beugte sich hinab, schloß Willow in seine Arme und küßte sie heftig. »Nicht meines, Liebste.«
Sie nickte, um zu zeigen, daß sie verstanden hatte, und klammerte sich an ihn.
Renos blaßgrünen Augen entging keine der Schwingungen, die deutlich spürbar zwischen seiner Schwester und dem Mann mit dem harten Gesicht flossen, der sie mit so überraschender Zärtlichkeit in den Armen hielt. Widerwillig gestand sich Reno ein, daß Wolfe recht gehabt hatte - Caleb war ein harter Mann, sogar schonungslos, was seine Feinde betraf, aber er ging behutsam mit jenen um, die schwächer als er waren.
»Alles klar«, sagte Caleb über Willows Kopf hinweg zu Reno.
Renos dunkle Brauen hoben sich fragend. »Wie viele?«
»Nur einer. Ich wollte ihn schon gehen lassen, aber er war dabei, die Spuren der Pferde zu verfolgen.«
Willow fragte nicht erst, was passiert war. Sie hatte keine Zweifel, was das Schicksal des Mannes anging.
»Hast du ihn gekannt?« wollte Reno wissen.
Caleb nickte. »Hatte in Denver schon mal eine Auseinandersetzung mit ihm. Er hat seine Wahl getroffen. Dann soll es eben so sein.«
Ein halb belustigtes, halb wildes Lächeln spielte um Renos Lippen. »In dem Punkt hat Wolfe auch recht behalten.«
»In welchem Punkt?«
»Daß du ein Mann bist, der geradewegs aus dem Alten Testament entsprungen scheint. War das da draußen Kid Coyote?«
»Nein. Nur irgendein unbedeutender Goldräuber aus Kalifornien.«
Eine plötzliche Starre überkam Reno. »Ein Goldräuber?«
»Wie er im Buche steht.« Das Lächeln auf Calebs Lippen war scharf wie eine Messerklinge. »Ich nehme an, er hatte es auf irgendeinen Idioten abgesehen, der hier Gold gefunden hat.«
Reno warf Willow einen kühlen Blick zu. »Du hast es ihm gesagt.«
»Das war gar nicht nötig«, gab Caleb schroff zurück. »Es gibt nur einen Grund, warum ein Mann seinen Hintern auf diesen verfluchten Gipfeln riskiert. Wegen der goldenen Hure.«
»Gold hat nichts Schmutziges, Gemeines an sich«, gab Reno ruhig zurück. Seine Stimme klang weich, seine grünen Augen leuchteten hell in seinem gebräunten Gesicht. »Die Indianer glauben, daß Gold von den Tränen des Sonnengottes stammt. Ich bin geneigt, mich ihrer Überzeugung anzuschließen.«
Caleb schnaubte verächtlich. »Höchstwahrscheinlich kam das Wasser aus einer Körperregion unterhalb des Gürtels.« Er schaute Willow an. »Entschuldige, Liebes. Ich weiß, du bist müde, aber wir sollten besser anderswo unser Lager aufschlagen. Ich habe dem Pferd des Goldräubers Sattel und Zaumzeug abgenommen und es den Berg hinuntergeschickt, aber Jed Slater ist ein guter Spurenleser. Früher oder später wird er uns finden, es sei denn, wir bleiben in Bewegung oder es kommt ein ordentlicher Regen
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