Brandung des Herzens
Zorn ablassen, bis einer von uns beiden tot ist. Entweder er oder ich.«
»Ist das der Grund, weshalb du Matt nicht finden willst?« erkundigte Willow sich, als ihr einfiel, daß der ältere der beiden Slater-Brüder ein gefürchteter Revolverschütze war. »Weil du weißt, daß Slater dir bis dorthin folgen wird?«
Caleb warf Willow einen undurchdringlichen Blick zu. »Nur ein Narr sucht nach Ärger. Man bekommt schon reichlich davon, ohne nach mehr Ausschau halten zu müssen.«
Er drückte Deuce leicht die Sporen in die Seiten und ließ den Wallach in die lange, gewundene Lichtung hinuntertraben, die schließlich in ein grasiges Tal abfallen würde, vierhundert Meter unterhalb ihres augenblicklichen Niveaus. Bedrückt schaute Willow zu, wie Calebs breiter Rücken den Pfad hinunter verschwand, und sie wünschte, sie hätte ihre Frage etwas taktvoller formuliert. Kein Mann gab gern zu, daß er nach Möglichkeiten suchte, um einen Kampf zu vermeiden.
Stirnrunzelnd trieb Willow Ishamel vorwärts, während ihre Gedanken mehr um den Mann kreisten, den sie liebte, und weniger um die Route, die vor ihnen lag. Caleb war nachdenklich und in sich gekehrt, seit sie gestern das kleine Tal verlassen hatten. Er hatte ein hartes Tempo vorgelegt, und sein Benehmen glich dem eines Mannes, der eine unangenehme Aufgabe so schnell wie möglich hinter sich bringen will. Und nicht ein einziges Mal - weder im Tal noch später - hatte er davon gesprochen, wie es mit ihnen beiden weitergehen würde. Caleb hatte auch kein Wort über Liebe und Heirat geäußert. Willow wußte noch nicht einmal, ob er weiter mit ihr Zusammensein wollte, wenn sein Versprechen, sie zu ihrem Bruder zu bringen, endlich erfüllt wäre.
Dennoch war Willow an diesem Morgen erwacht und hatte Caleb dabei ertappt, wie er sie mit einer Sehnsucht anschaute, so groß, daß ihr Herz einen Sprung tat. Dann war er wortlos aufgestanden und hatte Willow mit Tränen in den Augen zu rückgelassen und einer unbestimmten Furcht, die wie ein kalter Stein in ihrer Magengrube lag.
Die Erinnerung verfolgte und quälte Willow den ganzen langen Tag hindurch, prickelte wie ein eisiger Schauer auf ihrer Haut, machte die Schönheit des Landes bittersüß.
Der lange Abstieg vom Hochland herunter endete, wie schon so viele andere zuvor, in einem breiten Tal, das sich zwi-schen Bergketten hindurchwand. Ihr Weg führte Caleb und Willow an einem Fluß entlang, der kaum dreißig Meter breit war. Das Wasser war klar und sauber und rauschte geschwind dahin. Espen und eine Baumart, die wie Pappeln aussah, wuchsen am Flußufer und reckten Äste mit Unmengen zitternder, silbergrüner Blätter zum Himmel hinauf. Blumen in allen Farben leuchteten im Gras und erzählten von einem Frühling, der seine Kraft noch nicht erschöpft hatte.
Und wie immer brannte die Sonne heiß vom Himmel herunter. Willow trug nur ihre Levis und das Wildlederhemd, dessen Verschnürung sie ein ganzes Stück geöffnet hatte. Die Flanellunterwäsche, die sich im Hochgebirge so wohlig warm angefühlt hatte, war jetzt zusammengefaltet und in eine Decke hinter ihrem Sattel eingerollt, zusammen mit der schweren Wolljacke. Das silbrige Murmeln des Flusses war zu einem Sirenengesang für Willow geworden, der kühles, reines Wasser versprach, um ihren quälenden Durst zu lindern.
Gerade als Willow überzeugt war, Caleb würde über die Abendbrotzeit hinaus weiterreiten, ohne Rast zu machen, zügelte er seinen Wallach, stieg ab und kam die wenigen Schritte zu ihr zurück.
»Wir werden hier eine Weile ausruhen.«
Willow machte Anstalten, abzusitzen, nur um schwungvoll von Ishmaels Rücken gehoben zu werden. Caleb stellte sie langsam auf die Füße, ließ sie dabei herausfordernd an seinem Körper herabgleiten. Der Ausdruck seiner Augen und die deutlich sichtbare Erregung seines Körpers ließen Willows Herz rasen. Die Unsicherheit, die sie den ganzen Tag gepeinigt hatte, wich einem schwindelerregenden Gefühl der Erleichterung und dann einem prickelnden Ansturm von Erwartung. Hitze strömte durch sie hindurch, verwandelte sie. Innerhalb von wenigen Atemzügen veränderte sich ihr Körper, machte sich bereit für die bevorstehende Vereinigung.
»Ausruhen?« fragte Willow lächelnd, von dem einzigen Drang beseelt, die Düsterkeit aus Calebs Augen zu vertreiben.
Sie ließ eine Hand liebkosend an seinem Körper hinabwandern. »Bist du sicher, daß das alles ist, was du im Sinn hast?«
Er holte scharf Luft. »Ich dachte, ich
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