Brandung des Herzens
hörte ich Schüsse. Ich habe mich aufgemacht, um nachzuschauen. Als ich ankam, war der Kampf bereits beendet. Marty war tot.«
»Ute-Indianer?«
»Wahrscheinlich. Keines der Pferde war beschlagen.«
Caleb zögerte einen Moment, bevor er mit seiner linken Hand ganz langsam in seine Tasche griff, darauf achtete, daß jede seiner Bewegungen im Mondlicht gut sichtbar war.
»Kein Grund, nervös zu werden, Reno. Dies ist nicht meine Schußhand. Ich habe hier etwas, was du dir mal ansehen solltest.«
Vom Hörensagen und durch eigene Beobachtungen wußte Reno, daß Caleb tatsächlich mit der rechten Hand schoß, aber er behielt ihn trotzdem sorgsam im Auge. Mehr als ein Mann war gestorben, weil er die falsche Hand beobachtet hatte.
Alles, was aus Calebs Tasche zum Vorschein kam, war ein goldenes Medaillon. Er benutzte seinen Daumennagel, um die beiden Hälften aufschnappen zu lassen.
»Zünde ein Streichholz an«, befahl er.
Reno tat es, und zwar mit der rechten Hand, denn er handhabte seine Waffe mit der linken.
Gold glänzte hell und reflektierte das Aufflammen des Streichholzes. Willow sah das Medaillon, und ihr fiel wieder ein, wie Caleb es ihr gezeigt und gefragt hatte, ob die Leute auf den Fotos die Eltern ihres »Ehemannes« seien. Furcht erfüllte sie, erstickte sie fast. Mit einem winzigen Laut tat sie das, was sie während des Krieges getan hatte, wenn sie in einem Versteck hockte und Soldaten so dicht an ihr vorbeigezogen waren, daß ihre Angst sie zu überwältigen drohte - sie biß sich in die Hand, bis mit dem physischen Schmerz auch ihre Selbstkontrolle zurückkehrte.
»Erkennst du sie?« wollte Caleb wissen.
Ein schneller Blick war alles, was Reno für die beiden Bilder übrig hatte. Mehr brauchte er auch nicht. »Müssen Martys Leute sein.«
»Müssen? Warum?«
»Die Ohren«, erklärte Reno unverblümt. »Marty hatte Ohren wie Topfhenkel. Hätten jede Milchkanne neidisch gemacht.«
Über Calebs Lippen kam ein gedämpfter Laut, der halb Lachen, halb Erleichterung war. Trotzdem verstand er immer noch nicht, warum ihm dieses Mißverständnis passieren konnte.
»Als ich Becky fragte, wer der Vater des Kindes sei«, fuhr Caleb langsam fort, »sprach sie von einem Mann namens Reno, einem Mann, dessen wirklicher Name Matthew Moran war.«
Die Worte hallten in Willows Kopf wider - es waren ihre schlimmsten Befürchtungen, ausgesprochen von dem Mann, den sie liebte.
Dem Mann, der sie nicht wiederliebte.
Der Mann, der Matthew Moran, genannt »Reno«, gejagt hatte. Aber Caleb hatte Reno nicht aus eigener Kraft gefunden. Also hatte er das benutzt, was sich ihm gerade geboten hatte, und das war ein Mädchen gewesen, das ihn zu Reno führen konnte.
Ein eiskalter Schauer überlief Willow, als sie begriff, daß Caleb tatsächlich das war, was sie in Denver in ihm gesehen hatte, ein düsterer Engel der Vergeltung.
Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Schwester um Schwester.
Der leicht salzige Geschmack von Blut breitete sich in ihrem Mund aus, aber der Schmerz ihrer Hand war nichts im Vergleich zu der trostlosen Erkenntnis, daß sie verführt worden war, um die gnadenlosen Waagschalen einer Gerechtigkeit auszubalancieren, die so hart war wie Caleb Black.
»Becky sagte, ihr Liebhaber hätte ihr das Medaillon geschenkt, als er hinausritt, um Gold zu suchen und als reicher Mann zu ihr zurückzukehren.«
Reno fluchte unterdrückt. »Deine Schwester hat gelogen, was mich betrifft, Yuma-Mann.«
»Das denke ich inzwischen auch«, gestand Caleb ruhig. »Aber warum?«
»Was wolltest du tun, wenn du den Verführer deiner Schwester gefunden hättest?«
»Ihn grün und blau prügeln und ihn dann zusammen mit Rebecca vor einen Priester hinstellen«, erklärte Caleb.
Reno lächelte grimmig. »Exakt meine Gefühle. Wußte sie, was du vorhattest?«
»Sie kannte mich.«
»Dann hat sie wahrscheinlich versucht, ihren Liebhaber zu schützen, indem sie dir einen falschen Namen nannte. Marty kann damals nicht älter als siebzehn gewesen sein. Er war ein guter Junge, aber er hätte es niemals mit dir aufnehmen können, ganz gleich, bei welcher Art von Kampf.« Reno lächelte hart. »Ich kann es. Ich weiß, was mit einem Mann zu tun ist, der sich gewaltsam auf ein unschuldiges Mädchen gelegt hat.«
»Ich habe Willow nicht gezwungen, und du weißt es auch.«
»Zur Hölle mit dir, Yuma-Mann. Du warst allein mit ihr. Sie war deiner Gnade ausgeliefert, und du...«
»Sag es ihm, Willow«, befahl Caleb, und seine Stimme klang wie
Weitere Kostenlose Bücher