Brandung des Herzens
die ihre Wangen brennend rot färbte und nur langsam abebbte, bis ihre Haut wieder so kalt und farblos wie ihre Stimme war.
»Also, Willy«, sagte Reno ungeduldig. »Was soll nun werden? Willst du eine Heirat oder ein Begräbnis?«
Willow wußte, sie mußte sich entscheiden, aber keine der beiden Möglichkeiten war eine Wahl, mit der sie hätte leben können. Sie konnte Caleb nicht zum Tod durch die Hand ihres Bruders verurteilen. Sie konnte sich nicht selbst zu einem Leben mit einem Mann verurteilen, der sie bestenfalls als eine Verpflichtung betrachtete, die er sich eingehandelt hatte, als er den Tod seiner Schwester rächen wollte. Und schlimmstenfalls...
Als Hure.
Schlimmstenfalls würde Willow sich selbst zu einer Ehe mit einem Mann verdammen, der nichts als Verachtung für sie empfand und eine Wollust, die er zwischen den Beinen jeder Frau befriedigen konnte.
Langsam öffnete Willow die Augen und blickte erst den Bruder an, der sie nicht verstand, und dann den Mann, der sie nicht liebte.
»Ich werde tun, was ich muß«, sagte sie tonlos.
Caleb musterte sie scharf, denn er spürte den mühsam beherrschten Tumult hinter den ruhigen Worten.
Reno jedoch nickte nur zufrieden. »Der nächste Priester lebt in dem Fort jenseits der Wasserscheide.« Er lächelte seine
Schwester an. »Ich werde dich zur Trauung begleiten, Willy, obwohl es mich mehrere Wochen Schürfarbeit kosten wird.«
»Das ist nicht nötig«, erwiderte sie.
»Ist mir ein Vergnügen.«
»Ein Vergnügen?« Willows Stimme ließ die beiden Männer einen verunsicherten Blick tauschen. »Eine Eheschließung, die unter der Drohung eines sechsschüssigen Revolvers vollzogen wird, ist kein Vergnügen. Deshalb gibst du deine Goldsuche für den Rest des Sommers auf, Reno. Du willst sichergehen, daß die Heirat auch wirklich stattfindet.«
»Du irrst dich, Willy.«
Sie blickte ihren Bruder an, als hätte sie ihn noch niemals zuvor gesehen. »Wie kannst du so sicher sein? Was bringt dich auf den Gedanken, daß Caleb mich nicht einfach verlassen und sofort weiterreiten wird, sobald er außerhalb der Schußweite deines Revolvers ist?«
»Was glaubst du eigentlich, was für eine Sorte Mann ich bin?« fragte Caleb verärgert.
»Einer aus dem Alten Testament«, entgegnete sie scharf. »Du schuldest mir nichts. Ich war nur schlicht und einfach ein Mittel zum Zweck. Auge um Auge und unberührte Schwester um unberührte Schwester. Die Tatsache, daß du die Schwester des falschen Mannes verführt hast, ist ein kleiner Irrtum, den Gott dir sicher verzeihen wird. Deine Absichten waren lauter. Gerechtigkeit ohne Erbarmen. Vergeltung.«
»Ich habe dich nicht aus Rache genommen«, stieß Caleb zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Und du weißt es auch verdammt gut. Ich wollte dich!«
»Nicht so sehr, wie ich dich wollte.«
Willow. Stoß mich weg.
Die Erinnerung an Calebs Worte lag unausgesprochen zwischen ihnen. Und auch die Erinnerung an das, was als nächstes passiert war - Willows Bereitwilligkeit, die Vereinigung zu vollenden, ihr Körper, der ihn unerträglich verlockte, ihre Stimme, die ihm schmelzend gestand, wie sehr sie ihn liebte.
»Willow«, flüsterte Caleb und streckte flehend die Hand nach ihr aus.
Schweigend trat Willow einen Schritt zurück, gerade so weit, daß sie außerhalb seiner Reichweite war.
Caleb ließ seine Hand sinken und wandte sich an Reno. »Ich werde deine Schwester heiraten. Du hast mein Wort darauf.«
»Ich habe es nie angezweifelt«, sagte Reno ruhig. »Wir werden während des nächsten Gewitters aufbrechen. Auf diese Weise kann ich diesen Ort so lange geheimhalten, bis ich meinen Anspruch an der Goldmine habe registrieren lassen.«
Mondschein glitzerte in Calebs Augen, als er prüfend den Himmel betrachtete. »Möglich, daß es morgen irgendwann ein Gewitter geben wird.«
Willow schaute Caleb an, dann Reno. Sie sagte nichts, weil sie sich selbst nicht traute, noch irgend etwas zu äußern, ohne zu verraten, daß sie nicht die Absicht hatte, Caleb zu heiraten. Noch hatte sie die Absicht, durch unvorsichtige Worte das Begräbnis herbeizuführen, auf das ihr Bruder so erpicht war.
»Komm, Liebes«, sagte Caleb sanft und streckte Willow erneut die Hand hin. »Wenn wir morgen weiterreiten, solltest du jetzt besser schlafen.«
Willow trat noch einen Schritt zurück, fort von dem Mann, der ihr seine Hand entgegenstreckte.
»Willy, du bist albern«, sagte Reno ungeduldig. »Caleb hat dich verführt, er wird dich
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