Brandung des Herzens
wie oft muß ich das noch betonen?«
Calebs Augen waren schmale Schlitze von Silber mit Mondlicht. Sein Mund bildete eine schwarze Linie. Sein Ausdruck war höchst gefährlich.
Willow konnte die Wut in Caleb sehen, schmecken, fühlen. In ihm kochte ein Zorn, wie sie ihn noch bei keinem anderen Mann jemals erlebt hatte. Ohne Vorwarnung zog er seine Hand weg und preßte statt dessen seinen Mund auf ihre Lippen. Seine Bewegung geschah so schnell, daß Willow keine Chance hatte. Er hielt sie eisenhart umschlungen im Käfig seiner Arme, und es gab kein Entrinnen, keine Möglichkeit, sich zu wehren, nichts als den sanften Druck seiner Lippen, die ihre auseinanderzwangen.
Wie erstarrt wartete Willow auf das intime Eindringen von Calebs Zunge. Es kam nicht. Statt dessen wurde sein Mund plötzlich sanfter, und seine Zunge liebkoste ihre in einer süßen Verführung, die bedrohlicher war, als es jede gewaltsame Inbesitznahme gewesen wäre. Es war dasselbe mit seinen Händen, die zärtlich über ihren Körper glitten, Lust in ihr erweckten und sie erschauern ließen.
Verzweiflung durchzuckte Willow. Caleb kannte sie zu gut. Hilflos gruben sich ihre Nägel in seine Oberarme, als die Wildheit in ihrem Inneren das Ventil erahnte, das Caleb anbot, und auf Freilassung drängte.
»Ja«, murmelte Caleb schonungslos und biß leidenschaftlich in Willows Hals, als er den köstlichen Schmerz ihrer Fingernägel fühlte. »Komm zu mir. Du bist verletzt und wütend und weißt nicht, was du tun sollst. Laß deine Gefühle an mir aus, Willow. Ich habe keine Angst vor der Leidenschaft in dir. Laß sie frei.«
Die Erkenntnis, daß Caleb von der Wildheit wußte, die unter ihrer unnatürlich ruhigen Fassade brodelte, entrang Willows Lippen einen Laut der Verzweiflung.
»Hör auf, bitte, hör auf«, flehte sie mit gebrochener Stimme. »Laß mir wenigstens noch ein bißchen Stolz, Yuma-Mann. Selbst eine Hure braucht ein bißchen Stolz.«
Ein eisiger Schauer überlief Caleb. »Sag so etwas nicht noch einmal. Hast du mich gehört? Du bist keine Hure!«
»Beweise es mir! Laß mich schlafen, wo es mir gefällt. Laß mich allein schlafen!«
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, bis Willow am liebsten geschrien hätte. Das einzige Anzeichen ihres inneren Tumults war das leise Zittern, das ihren Körper erschütterte. Ihr Ausdruck zeigte keinerlei Emotionen. Sie beobachtete Caleb nur mit den Augen einer Fremden, während sie darauf wartete, herauszufinden, ob sie seine Frau oder seine Hure war.
Und er wußte es.
»Schlaf, wo es dir gefällt, wann immer es dir gefällt«, entgegnete er kalt. »Ich habe es verflucht satt, von dir und deinem Bruder wie ein gewissenloser Verführer behandelt zu werden.«
Abrupt gab Caleb Willow frei und trat zurück.
»Sag mir Bescheid, wenn du fertig bist mit Schmollen und wie meine Frau behandelt werden möchtest. Dann werde ich dich wissen lassen, ob ich mich immer noch als dein Mann betrachte.«
17. Kapitel
Erst als Willow mehrere Kilometer vom Eingang des engen Tals entfernt war, stieg sie aus dem Sattel und wickelte die Fetzen ihres Reitkostüms von Ishmaels Hufen. Der Hengst schnaubte, als der letzte Lederriemen abgenommen wurde und die Stoffstücke abfielen. Er stampfte ungeduldig mit den Hufen.
»Ich weiß«, sagte Willow leise und streichelte Ishmaels Hals, um das nervöse Tier zu beschwichtigen. »Die Lumpen haben dich beunruhigt, aber sie haben deine Hufe davor bewahrt, zuviel Lärm auf den Felsen zu machen.«
Unglücklich betrachtete sie den Himmel. Am östlichen Horizont zog bereits die Morgendämmerung herauf und ließ die Sterne verblassen. Willow wünschte, sie könnte einfach untertauchen und sich den Tag über verstecken, aber das würde die sichere Katastrophe bedeuten. Sie war noch viel zu nahe an dem Tal, um in Sicherheit zu sein. Sie würde den ganzen Tag hindurch hart und schnell reiten müssen und die kommende Nacht ebenfalls.
Morgen um diese Zeit würde sie in der Lage sein, Ishmael auf irgendeiner abgelegenen Wiese anzupflocken und zu seinen Füßen zu schlafen. Morgen, aber nicht heute.
Willow stieg wieder in den Sattel und ritt weiter den Berghang hinunter, ließ das versteckte kleine Tal mit jedem Hufschlag weiter hinter sich zurück. Um sie herum hoben sich die Nebelschleier, während die Nacht langsam zurückwich, enthüllten die Silhouette weit entfernter Gipfel gegen den blassen Himmel und eine Mischung von Grasland und Wald in der Nähe. Sie trieb Ishmael dicht am
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