Brandung des Herzens
Gipfel vergoldete, durchschnitt Calebs Pfiff die frühmorgendliche Stille. Zwei dunkle Pferde trotteten auf ihn zu. Er griff sich Zaumzeug, Sattel und Satteltaschen und ging zu Trey, als Reno kehrtmachte und zu seinem eigenen Lager zurückrannte. Einen Moment später erschien er wieder mit Trense und Geschirr in der Hand, einen Sattel über die Schulter geworfen.
Kurze Zeit später kamen Caleb und Reno aus dem Dickicht hervor, das den Eingang zu dem kleinen Tal verhüllte. Reno verschwendete keinen Gedanken daran, die Fichtenzweige wieder hinter ihnen zusammenzubinden. Er schwang sich nur rasch in den Sattel und hielt dann Ausschau nach irgendwelchen Anzeichen. Caleb ritt vor ihm. Er machte eine scharfe Geste, bevor er abbog und stromabwärts am Bachufer entlangtrabte, ohne sich die Mühe zu machen, seine Spuren im Wasser zu verbergen.
Reno erhob keine Einwände. Daß jemand sein kleines Tal entdecken könnte, war im Augenblick die geringste ihrer Sorgen. Willow zu finden, bevor sie Slater in die Hände fiel, war das einzige, was jetzt zählte. Ihre größte Hoffnung war, daß Willow bei Dunkelheit geritten war und sich bemüht hatte, leise zu sein. Caleb und Reno ritten bei besserem Licht und scherten sich nicht darum, wer davon wußte. Sie sollten Willow schnell eingeholt haben.
Plötzlich zog Caleb die Zügel an und bedeutete Reno mit einer Handbewegung zu schweigen. Beide Männer richteten sich in den Steigbügeln auf und drehten langsam die Köpfe, versuchten zu entscheiden, ob sie wirklich Gewehrfeuer gehört hatten, und wenn ja, aus welcher Richtung.
Das Geräusch einer Serie von Schüssen schallte aus der Tiefe herauf, gefolgt vom Knall eines doppelläufigen Gewehrs.
Erbarmungslos drückte Caleb Trey die Sporen in die Seiten und trieb den großen Wallach in halsbrecherischer Geschwindigkeit den Abhang hinunter. Reno folgte ihm dicht auf den Fersen. Beide Männer hatten ihre Gewehre aus der Sattelscheide gezogen, hegten aber wenig Hoffnung, rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein, um sie zu benutzen. Die Schüsse waren von einem Punkt gekommen, der ein ganzes Stück weiter den Berg hinunter lag und Kilometer entfernt war. Bis Caleb und Reno dort ankamen, würde nichts mehr übrig sein außer Hufspuren und leeren Patronenhülsen.
Wolfe Lonetree wartete am Anfang der großen Lichtung auf sie. Sein Pferd blockierte die Spuren, die Ishmael hinterlassen hatte, als Willow das Grasland nach Anzeichen von Menschen abgesucht hatte.
»Slaters Leute haben sich das Mädchen und den rotbraunen Hengst geschnappt. Ungefähr sechs Kilometer von hier«, sagte er zu Caleb und Reno. »Sie ist nicht verletzt und wird wahrscheinlich auch noch eine Weile unverletzt bleiben. Slater versucht, aus ihr herauszubekommen, wo ihr seid, aber wenn wir jetzt unvermittelt dort auftauchen, wird er ihr die Kehle durchschneiden, nur um euch zu ärgern. Ihr kennt seinen Ruf.«
»Ja«, erwiderte Caleb tonlos. »Den kenne ich. Kannst du uns möglichst nahe an die Stelle heranführen, wo er Willow festhält?«
Wolfe nickte und trieb sein Pferd in die Wiese hinein. Die Stute war ein seltener blau-grauer Apfelschimmel mit schwarzer Mähne und Schweif, eine Farbe, die sich bei Mustangs fand, bei denen das Blut ihrer arabischen Vorfahren wieder durchschlug. Kopf an Kopf galoppierten die drei Pferde über das
Grasland in einer langen Diagonale, die sie schließlich zu einem Waldstreifen brachte. Dort drosselten Caleb, Reno und Wolfe das Tempo und ließen die Pferde im Schritt weitergehen, um ihre Kräfte zu schonen für das, was ihnen bevorstand. Unauffällig lenkte Wolfe sein Pferd zwischen Reno und Caleb. Seine indigoblauen Augen wanderten forschend zwischen den beiden Männern hin und her, während er herauszufinden versuchte, ob Caleb wußte, wer Willows sogenannter Ehemann wirklich war.
Nach einer Weile meinte Wolfe trocken zu Reno: »Du mußt Matthew Moran sein.«
»Die meisten nennen ihn Reno«, warf Caleb ein, während er weiterhin aufmerksam das Land vor ihnen absuchte.
Wolfe lächelte leise und entspannte sich. »Ich übrigens auch. Wußte gar nicht, daß du verheiratet bist, Reno.«
»Willy ist meine Schwester«, erwiderte Reno. »Sie wird bald Calebs Ehefrau sein.«
Tiefblaue Augen musterten erst Reno, dann Caleb. »Ehefrau, soso«, wiederholte Wolfe versonnen.
Caleb nickte.
»Also, wenn es jemals eine Frau schafft, dir Zügel anzulegen, dann müßte es diese blonde Kriegerin sein, die ich heute morgen gesehen habe.«
»Du
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