Brandung des Herzens
Schnurrbart wirkte übermäßig anziehend. Seine goldenen Augen glühten wie Feuer, beobachteten sie intensiv.
Unvermittelt wandte Caleb sich ab und zog das Fernglas aus seiner Jackentasche, bemüht, seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Methodisch begann er, den Weg unter ihnen nach allen Richtungen abzusuchen. Nach ein paar Augenblicken stieß er die Luft in einem gezischten Fluch aus.
Ein ganzes Stück unterhalb ihres Verstecks näherte sich ein Reiter in rasantem Tempo. Er nahm denselben Weg über das Land, den auch Caleb und Willow genommen hatten. Die Entfernung war jedoch so groß, daß Caleb den Mann auch durch das Fernglas nicht identifizieren konnte. Caleb wartete eine Weile. Ein zweiter Mann kam aus dem Wald heraus. Auch er ritt ein dunkles, langgliedriges Pferd.
Caleb beobachtete weiter angestrengt das Gelände, aber im Blickfeld des Fernglases tauchten keine weiteren Gestalten auf. Zwei Männer, zwei dunkle Pferde, die Anzeichen eines langen, harten Ritts aufwiesen. Es waren dieselben Männer, die er letzte Nacht gesehen hatte. Caleb war sich dessen so sicher, wie er sich des glatten Messingrohres in seiner Hand bewußt war.
»Die Höhe hat ihr Tempo etwas beeinträchtigt, aber nicht sehr«, erklärte er.
»Die Höhe?«
»Wir sind mehr als zweitausendvierhundert Meter hoch. Daran liegt es, daß Sie nach wenigen Schritten schon außer Atem sind. Den Pferden macht die dünne Luft genauso stark zu schaffen, bis sie sich daran gewöhnt haben. Deuce und Trey sind Gebirgspferde. Die beiden Tiere dort unten ebenfalls. Ihre nicht.«
»Was werden wir tun?« fragte Willow ängstlich.
Caleb hob sein Gewehr und spähte durch das Visier. Die Männer waren immer noch außer Schußweite. Trotzdem senkte er den Gewehrlauf nicht. Er wartete einfach.
Willow beobachtete, wie eine Ruhe und Unbeweglichkeit über Caleb kam, vergleichbar mit der absoluten Konzentration einer Katze, die zum Sprung ansetzt. Weiter unten durchquerten die beiden Reiter gerade die entfernte Lichtung in hartem
Galopp. Caleb schob eine Patrone in die Gewehrkammer und begann, den zweiten der beiden Reiter anzuvisieren.
»Wollen Sie sie etwa erschießen, ohne überhaupt herauszufinden, wer sie sind?« fragte Willow mit gepreßter Stimme.
»Ich weiß, wer sie sind.«
»Aber...«
Caleb fiel ihr grimmig ins Wort. »Schauen Sie den Berg hinauf. Sehen Sie irgendeine Deckung, irgendeine Stelle, wo sich eine Person verstecken könnte, ganz zu schweigen von sieben Pferden, wenn von unten jemand zu schießen anfängt?«
»Nein«, antwortete sie bedrückt.
»Lassen Sie sich das mal durch den Kopf gehen, Südstaatenlady. Sobald wir dieses Wäldchen verlassen, sind wir lebende Zielscheiben.«
Willow verflocht ihre Finger ineinander und versuchte, das Zittern ihrer Hände zu beherrschen, während Caleb kaum merklich seine Position veränderte, wobei er die beiden Männer keine Sekunde aus den Augen ließ.
»Na, was meinen Sie?« fragte er, ohne seinen Blick von den Banditen abzuwenden. »Glauben Sie allen Ernstes, daß die zwei da unten gottesfürchtige Kirchgänger sind, die nur ganz zufällig einen langen Ritt über einen schwierigen, kaum bekannten Paß unternehmen, der zu nichts anderem führt als zu einem weiteren langen, beschwerlichen Ritt über einen weiteren kaum bekannten Paß? Wollen Sie es wirklich darauf ankommen lassen?«
»Nein«, flüsterte sie.
Er lächelte bitter. »Sie brauchen nicht so traurig zu klingen, Honey. Bei dieser Reichweite kann ich froh sein, wenn ich nahe genug herankomme, um sie zu erschrecken.« Er nahm den zweiten Mann ins Visier, machte jedoch keine Anstrengung, den Abzug zu spannen. »Ich wünschte bei Gott, Wolfe wäre hier. Der Bursche ist höllisch gut mit einem Gewehr.«
Ein feiner Regen hatte eingesetzt, als die beiden Reiter in dem Wald verschwanden, der die Lichtung umgab. Wenn sie den Spuren folgten, würden sie in ungefähr zwanzig Minuten am Fuß des Abhangs wieder herauskommen. Caleb senkte sein Gewehr und drehte sich zu Willow um.
»Gehen Sie lieber wieder in das Wäldchen zurück. Wenn einer der Männer eine Sharps-Büchse hat, könnte es hier gleich ganz schön turbulent zugehen.«
»Bei dieser Entfernung?«
»Ich habe gesehen, wie Männer aus sechshundert Metern Entfernung von einer großen Sharps getötet wurden. Ich habe von Männern gehört, die aus achthundert Metern Abstand erschossen wurden.«
»Wie weit hinunter ist es bis zu der Lichtung?« wollte Willow
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