Brandung des Herzens
herauszuhalten.
»Die Araber sind mutig und ausdauernd, aber sie sind nicht an derartige Höhen gewöhnt. Wenn wir ihnen keine Ruhepause gönnen, werden Sie morgen um diese Zeit zu Fuß laufen müssen. Und das wäre eine Schande, denn morgen um diese Zeit werden wir Gottes eigenes Unwetter erleben.«
Erschöpft und benommen musterte Willow den Himmel. Er hatte schon wesentlich bedrohlicher ausgesehen und hatte auch nur ein paar Tropfen vergossen.
»Es wird regnen, Südstaatenlady. Glauben Sie mir. Wenn wir noch tausend Meter höher wären, würde sogar Schnee fallen.«
»Schnee?« fragte sie ungläubig, während sie sich gedankenverloren mit dem Saum ihres Wildlederhemds fächelte, um sich mehr Kühlung zu verschaffen.
»Schnee, richtig«, wiederholte er.
Was Caleb für sich behielt, war, daß sie besser ohne Pause weitergeritten wären, denn ein Unwetter konnte leicht jeden der Pässe zwischen ihrem augenblicklichen Standort und dem Gebiet von San Juan für einen Tag oder sogar eine ganze Woche unpassierbar machen. Aber Caleb wußte, Willow brauchte ebenso dringend Ruhe wie ihre Pferde. Sie sah zu bleich aus, fast wächsern, und unter ihren Augen waren violette Ringe.
Reno hat schon so lange auf meine Kugel gewartet, sagte Caleb sich im stillen. Er kann auch ebensogut noch eine Weile länger warten. Für Rebecca wird es todsicher keinen Unterschied machen.
Willow bemerkte den plötzlich so bitteren Zug um Calebs Mundwinkel und sagte nichts weiter über das Wetter. Ob
Sonne, Regen oder Schnee, es spielte keine Rolle für sie. Ihre Pferde brauchten dringend Ruhe und sie ebenfalls. Sie wußte nicht, woraus Caleb gemacht war - aus ungegerbtem Leder und Granit höchstwahrscheinlich doch selbst er mußte irgendwann die Strapazen eines endlosen Trecks und wenig Schlaf spüren. Eine halbe Stunde später führte Caleb Willow zu der großen Wiese, die sein Vater erwähnt hatte. Rehe sprangen in langen Sätzen davon, als die Reiter aus dem Wald hervorkamen und über die Lichtung trabten. Caleb wartete jedoch, bis sie die gegenüberliegende Seite erreicht hatten und unter hohen Bäumen verborgen waren, bevor er abstieg und sein Pferd abzusatteln begann.
Aus den Augenwinkeln sah er Willow schmerzlich das Gesicht verziehen, als sie ihr Bein über den Sattel hob. Er eilte auf sie zu, weil er wußte, was passieren würde. Ihre Knie gaben unter ihr nach, seine Hände schossen vor, und er fing sie gerade noch rechtzeitig auf, bevor sie zu Boden stürzte.
»Immer mit der Ruhe«, sagte er tröstlich, während er Willow mit einem Arm an sich gedrückt hielt und ihr Gewicht gegen seine Hüfte stützte. »Jetzt versuchen Sie mal zu stehen.«
Allmählich akzeptierten Willows Beine ihr Gewicht.
»Gehen Sie ein Stückchen.«
Er half Willow, die verkrampften Muskeln in ihren Beinen zu lockern, indem er sie fürsorglich stützte und ein paar Schritte mit ihr auf und ab ging. Nach ein paar Minuten war sie in der Lage, ohne Hilfe zu gehen.
»In Ordnung?« fragte er und ließ sie widerstrebend los.
»Ja«, erwiderte sie heiser. »Danke.«
Sie holte tief Luft und wandte sich zu Dove um. Das heiße, goldene Licht, das schräg zwischen Wolken hindurchstrahlte, brachte alles mit einer Energie zum Leuchten, von der Willow wünschte, sie könnte sie teilen.
»Ich werde mich um Dove kümmern«, sagte Caleb. »Pflocken Sie Ihre anderen Stuten am Rand der Lichtung an. Lassen Sie den Hengst frei herumlaufen. Er wird besser als jeder Jagd-hund verdächtige Gerüche wittern, und er geht nirgendwohin, wo nicht auch seine Stuten sind.«
Bis Willow mit dem Anpflocken der Pferde fertig war, hatte Caleb die restlichen Tiere von ihrem Gepäck befreit. Dann ging er von Pferd zu Pferd und schüttete jedem ein Häufchen Getreide ins Gras. Bald vermischte sich das mahlende Geräusch kräftiger Zähne auf harten Getreidekörnern mit dem seidigen Wispern des kleinen Bachs, der sich hundert Meter entfernt durch die Wiese wand.
»Setzen Sie sich und ruhen Sie sich aus, während ich Feuer mache«, drängte Caleb.
Willow stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Ich hatte schon befürchtet, wir würden wieder ohne Feuer kampieren müssen.«
Er lächelte dünn. »Selbst wenn die beiden Revolverhelden Freunde hatten, wird kein Mann heute über diesen Berg kommen, ohne sich bei jedem Schritt zu fragen, ob ich vielleicht irgendwo im Hinterhalt liege, um ihm einen Kugelhagel zu verpassen.«
Trotz ihrer Erschöpfung sammelte Willow genügend trockenes
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