Brandung des Herzens
Bergen zu dem Mann wandern, der nur wenige Schritte von ihr entfernt auf seinem Pferd saß. Dennoch schienen in diesem Augenblick selbst die Gipfel in der Ferne näher zu sein.
»Wo...« Ihre Stimme brach. Sie räusperte sich und setzte zu einem neuen Versuch an, zwang sich zur Ruhe, als sie am ganzen Körper zu zittern begann bei dem Gedanken, daß Caleb sie im Stich ließ. »Und wenn ich den Gipfel hinter mir habe, wohin reite ich dann?«
Die Angst in Willows Stimme war zu stark, als daß sie sie völlig hätte verbergen können.
»Keine Sorge, ich haue nicht ab«, sagte er kalt. »Vielleicht benehmen sich so die Männer, an die du gewöhnt bist, aber ich bin nicht einer deiner Liebhaber, nicht wahr? Wenn ich einmal mein Wort gegeben habe, dann halte ich es auch.«
Willow nickte stumm, schaute überallhin, nur nicht in Calebs wilde gelbe Augen.
»Als ich gestern abend auf der Jagd war, habe ich Überreste eines toten Rehs gefunden«, fuhr er barsch fort. »Vielleicht einen Tag alt, vielleicht auch mehr. Wölfe hatten sich darüber hergemacht, aber ich habe sofort erkannt, daß es von Menschen getötet wurde.«
»Indianer?«
»Renegaten, Abtrünnige«, erklärte er ohne Umschweife. »Einige Pferde waren beschlagen, andere trugen keine Hufeisen. Der einzige Haufen dieser Sorte, die ich kenne, sind Comanchero-Händler. Die Bezeichnung Banditen trifft die Sache schon eher. Sie führen eine große Menge von Taos Erleuchtung mit sich.«
»Was ist das?«
»Feuerwasser, Tarantelsaft, Fusel«, erklärte er ungeduldig.
»Ach so, Whisky.«
Er knurrte. »Nenn es, wie du willst, sie hatten so viel davon, daß sie einen Viertelliter in einer der Flaschen zurückgelassen haben.«
Willow runzelte nachdenklich die Stirn. Sie hatte von Comancheros gehört, und zwar nur Schlechtes. Sie waren tatsächlich Renegaten der übelsten Sorte - ein bunt zusammengewürfelter Trupp von weißen und mexikanischen Banditen, Indianern, die keinem Stamm angehörten, und Mischlingen, die sich weder dem Gesetz der Weißen noch dem der Indianer beugten.
»Bleiben Comancheros nicht gewöhnlich weiter im Süden?« fragte sie hoffnungsvoll.
»Nur, wenn die Armee sie dorthin jagt. In der mexikanischen Wüste gibt’s verdammt wenig zu stehlen und eine Menge Comancheros, die scharf darauf sind. Die Armee hatte bis jetzt zuviel damit zu tun, gegen Rebellen zu kämpfen, um ihre Zeit auf Indianer und Banditen zu verschwenden, aber nachdem der Krieg zwischen den Staaten nun vorbei ist, kommt die Armee zurück. Es wird ganz schön turbulent zugehen, bevor die Ute in irgendein Reservat getrieben werden. Während die Armee beschäftigt ist, werden die Comancheros weiter am Rande herumschleichen und auf Beute aus sein wie die Koyoten.«
Unsicher betrachtete Willow die offene Fläche, die sich vor ihr ausdehnte, Kilometer für Kilometer saftiges Grasland, das ohne Zweifel einen natürlichen Sammelpunkt für Leute darstellen mußte, die durch die zerklüfteten Berge ritten und nach einem weniger beschwerlichen Durchgang suchten.
»Schön, nicht?« meinte Caleb, während er das Land mit einer Andeutung von Besitzerstolz betrachtete. »Du kannst es von hier aus nicht sehen, aber es gibt einen Fluß, der von jenem Felsgrat dort hinunterkommt und das ganze Jahr über nicht austrocknet. Ein Mann könnte dort ein Haus bauen und nach drei Seiten völlig freies Schußfeld haben und Land, das nur eine Bergziege auf allen vieren durchqueren könnte. Das Wasser ist süß und reichlich.«
Das innige Gefühl, das in Calebs Stimme mitschwang, ließ Willow ihren Blick von der Landschaft abwenden und Caleb ansehen. Er liebte dieses Land. Selbst als er seine Gefahren beschrieb, liebkoste seine Stimme dessen Möglichkeiten.
»Wenn ein Mann ein Haus an der richtigen Stelle bauen würde, brauchte er nicht jedesmal sein Leben zu riskieren, wenn er einen Eimer Wasser holt«, fuhr er fort. »Vieh könnte im Sommer im Hochland grasen, und in den tieferen Lagen könnte man Heu für den Winter machen. Nach ein paar Jahren harter Arbeit würde ein Mann ebensogut dastehen wie jeder Gentleman aus Virginia.«
Willow betrachtete wieder das Land, versuchte, es mit Calebs Augen zu sehen, und sie entdeckte Orte, die sich als Versteck oder Hinterhalt anboten, Orte, die verteidigt, und andere, die nur zu leicht gestürmt werden konnten.
»Denkst du immer so?« fragte sie.
»Ich trage mich schon seit zehn Jahren mit der Absicht, Vieh zu züchten. Das einzige Problem ist, die
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