Brandung des Herzens
allein zurück. Bewegungslos wartete sie, während Caleb entlang der Lichtung nach Spuren suchte, vor- und zurückritt, bis er in einer Senke in dem breiten, sanft hügeligen Waldstück verschwand. Ein paar Minuten später tauchte er wieder auf, nur um erneut außer Sicht zu verschwinden.
Als die Viertelstunde verstrichen war, zog Willow das Gewehr aus seinem Futteral, legte sich die Waffe auf den Schoß und strebte in schnellem Trab am linken Rand des Kessels hinunter. Die Pferde reihten sich hinter ihr auf, angespornt von Ishmael, der dafür sorgte, daß alle Schritt hielten.
Es dauerte zwei Stunden, bis sich Caleb dem kleinen Trupp wieder anschloß und neben Willow durch das hohe Gras am Waldrand herritt. Das Land war immer noch offen, immer noch unendlich weit, ein breiter Fluß von Gras, der zwischen hohen Dämmen von Stein dahinfloß.
»Hast du irgendwas entdeckt?« wollte Willow wissen.
»Spuren«, erwiderte er bedächtig. »Vier Pferde. Eins davon beschlagen. Möglich, daß sie Rehe jagen. Vielleicht auch uns. Vielleicht auch jemand anderen.«
»Wo sind sie jetzt?«
»Sie haben sich geteilt. Reiten jetzt jeweils zu zweit. Ein Spurenpaar ist hinter uns nach links abgeschwenkt. Das andere verlief nach rechts und dann an einem Seitenarm des Flusses entlang. Am Oberlauf dieses Arms ist ein guter Paß. Wenn die beiden Revolverhelden nicht gewesen wären, hätte ich uns auch auf diesem Weg hergeführt. Er liegt näher an dem Gebiet, in das wir wollen. So, wie’s momentan aussieht, werden wir in ein paar Tagen über die Wasserscheide kommen.«
»Die große nordamerikanische Wasserscheide?« fragte Willow atemlos.
Caleb lächelte über ihre freudige Erregung. »Überall schleichen Comancheros herum, aber du zuckst kaum mit der Wimper und gerätst bei der Aussicht auf noch einen Gebirgspaß in Begeisterung.«
»Mein ganzes Leben lang habe ich nur Flüsse gekannt, die in den Atlantik flossen. Wasser zu sehen, das zum Pazifik fließt...« Sie lachte entzückt. »Ich weiß, es ist dumm, aber ich kann nichts dafür. Ich bin mit Briefen meiner Brüder aufgewachsen, die von China erzählten, wo es eine ganze Stadt aus Dschunken gibt, die im Hafen aneinandergebunden sind, und von den Sandwich-Inseln, wo die Wellen höher als die Scheune waren, bevor die Rebellen sie niederbrannten, und von Australien, wo es ein Meeresriff gibt, das größer ist als die dreizehn Südstaaten zusammengenommen. Und alles, was ich jemals zu sehen bekommen habe, waren die Sonnenuntergänge in West
Virginia, Hühner, die im Küchengarten scharrten, und einen Regenbogen über den Hügeln.«
Caleb grinste, fasziniert von Willows Aufregung. »Klingt, als läge die Wanderlust bei euch in der Familie. Kein Wunder, daß du den Mumm hattest, dich auf die Suche nach deinem Liebhaber zu machen, als er dir schrieb.«
»Ich wäre auf jeden Fall gekommen«, gestand Willow. »Ich konnte es zu Hause nicht mehr aushalten. Es war nichts mehr übriggeblieben, nur Erinnerungen an bessere Zeiten.«
Danach fiel Willow in Schweigen. Caleb versuchte gar nicht erst, sie zum Weitersprechen zu bewegen. Es war sicherer so. Besser für seine eigene Wachsamkeit und um die dringend notwendige Distanz zwischen sich und Renos Liebchen zu wahren. Es war zu leicht, Willow zu mögen, sich an ihrem Lachen und ihrem Schweigen zu erfreuen, sich an das Gefühl zu erinnern, wie ihr verlockender Körper in seinen Armen nachgegeben und sich in warmen, süßen Honig verwandelt hatte.
Ein Liebchen. Mehr ist sie nicht. Großer Gott, warum vergesse ich das immer wieder, sobald ich sie anschaue? Warum ist sie unter meiner Haut und in meinem Blut?
Die Antwort war so einfach und so unauslöschlich wie der Augenblick, als er mit der Hand zwischen Schichten von Baumwolle geglitten war und ihre heißblütige weibliche Hitze an seinen Fingerspitzen gespürt hatte. Noch niemals zuvor hatte er eine Frau dazu gebracht, ihn so heftig, so schnell, so heiß zu begehren. Die Erinnerung daran ließ das Blut in einem bittersüßen Schwall zwischen seinen Schenkeln pulsieren und seinen Schaft hart werden, machte ihm schmerzhaft bewußt, wie sehr er ein Mann sein konnte bei einer Frau wie Willow Moran.
Caleb riß seine Gedanken gewaltsam von dem los, was er nicht haben konnte, und konzentrierte seine Aufmerksamkeit statt dessen auf den riesigen Gebirgspark, der sich nach drei Seiten ausdehnte. Von Zeit zu Zeit drosselte er das Tempo und ritt im Schritt weiter, um ihre Position anhand der
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