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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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so’n Zeug?« Sie sah
nachdenklich aus. »Ich weiß nicht. Ich habe ihnen ganz
bestimmt nichts Anziehendes abgewinnen können; aber die
Jungs… Brown hat sein Exemplar zu einer Party mitgebracht; er
trug es auf dem Arm herum und nannte es Tochter Ann. Alle
umschwärmten es, liebkosten es und sagten Sachen wie
›Komm’ zu Pappi‹ zu ihm. Es war wirklich
abgefahren.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Also, wenn du recht hast,
brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Selbst, wenn sie
bioverbessert sind, können sie nicht lange damit rechnen, von
den Jungs beachtet zu werden. Der ganze Spuk wird in kurzer Zeit
vorüber sein.«
    »Kannst du nicht mal ’rüberkommen? Ich sehe dich
nie.« Sie hörte sich an, als wäre sie bereit, die
Lesbierin zu machen.
    Ich hielt mein bebändertes Handgelenk hoch. »Kann nicht.
Hör’ zu, Arabel, ich komme zu spät in die nächste
Stunde«, sagte ich und eilte durch das wirbelnde Weiß und
Gelb davon.
    Ich hatte gar keine nächste Stunde. Ich ging ins Dorment
zurück und nahm ein bißchen Float.
    Als ich wieder heraus war, erblickte ich Zibet. Sie saß auf
ihrer Koje, die Knie hochgezogen, und schrieb eifrig in ihr
Notizbuch.
    Sie sah viel besser aus als beim ersten Mal. Ihr Haar war ein
wenig ausgewachsen und zeigte an den Spitzen eben soviel
natürliche Krause, um ihr ins Gesicht zu fallen. Sie wirkte
nicht angespannt. Tatsächlich sah sie beinahe glücklich
aus.
    »Was tust du?« sagte ich, wie ich hoffte. Die ersten
Sätze ergeben nur selten einen Sinn, wenn man eben aus dem Float
rauskommt.
    »Ich schreibe meine Notizen ab«, erwiderte sie.
    Gottverdammich; was gewisse Leute doch so alles glücklich
macht. Ich fragte mich, ob sie einen Boyfriend gefunden hatte, und ob
er ihr zu dieser hübschen Gesichtsfarbe verholfen hatte. Falls
ja, war sie besser dran als Arabel und ich.
    »Für wen?«
    »Was?« Sie starrte mich verständnislos an.
    »Für welchen Jungen schreibst du deine Notizen
ab?«
    »Junge?« Jetzt war ein Kiekser in ihrer Stimme. Sie sah
eingeschüchtert aus.
    Ich sagte behutsam: »Ich könnte mir vorstellen,
daß du einen Boyfriend hast.«
    Ich sah, wie sie wieder ausflippte. Bei Maria, die Jesus knallt
– das mußte ganz falsch rausgekommen sein. Ich fragte
mich, was ich wirklich zu ihr gesagt haben mochte.
    Sie wich gegen die Wand zurück, als dringe ich auf sie ein,
das Notizbuch flach gegen den Busen gedrückt. »Weshalb
glaubst du das?«
    Weshalb glaube ich was? Heilige Scheiße; ich
hätte ihr sagen sollen, daß ich Float nehmen würde,
bevor ich auf den Trip ging. Jetzt war ich gezwungen, ihr zu
antworten, als sei ich eine normale Gesprächspartnerin und keine
in einem Käfig gefangene Ratte, die mit einem Stock getriezt
wird. Ich konnte nur hoffen, es ihr später erklären zu
können.
    »Ich weiß nicht, warum ich es glaube. Du hast einfach
so ausgesehen, als…«
    »Dann ist es wahr«, erwiderte sie, und die Anspannung
war wieder in ihrem Gesicht, und sie blinkte rot und weiß.
    »Was ist los?« erkundigte ich mich, während ich
mich noch immer bemühte, herauszufinden, in welche verdrehte
Bedeutung das Float meine unschuldigen Anmerkungen verfälscht
hatte.
    »Ich habe die Haare wie du getragen, bevor ich herkam. Ich
nehme an, du hast dich schon danach gefragt.«
    Heilige Scheiße… jetzt hatte ich eine abfällige
Äußerung über ihren Bubikopf gemacht.
    »Mein Vater…« Sie umklammerte das Notizbuch, wie
sie in der Nacht zuvor das Wandpaneel umklammert hatte; als hinge ihr
Leben davon ab. »Mein Vater hat sie abgeschnitten.«
    Sie hatte mir etwas Furchtbares eingestanden; und ich hatte keine
Ahnung, was es war.
    »Warum hat er das getan?«
    »Er sagte, ich würde… Männer damit in
Versuchung führen. Er hat gesagt, ich sei eine… Ich
würde Männern schlechte Gedanken in bezug auf mich
eingeben. Er sagte, es sei meine Schuld, wenn sie so von mir
dächten. Er hat mir mein ganzes Haar abgeschnitten.«
    Endlich dämmerte es mir, daß ich sie genau das gefragt
hatte, was ich schon vermutete: ob sie einen Boyfriend
hätte.
    »Glaubst du von mir, daß ich… das tun
würde?« fragte sie mich in flehendem Ton.
    Willst du mich auf den Arm nehmen, Mädchen? Sie konnte
Brown nicht in der Stimmung angetroffen haben, eine Jungfrau zu
rammeln. Das zumindest konnte ich ihr versichern; aber auf der
anderen Seite wußte ich, daß wieder Ramba Zamba im
Schlafland sein würde, wenn ich es sagte. Ich spürte
Mitleid mit ihr… armes Balg… die Haare wurden

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