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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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ihr
abgeschnitten; von einem Scheißer von Vater, der ihr mit einem
Haufen Lügen einen höllischen Schrecken eingejagt hat. Kein
Wunder, daß sie so zickig gewesen war, als sie hier ankam.
    »Glaubst du es?« fragte sie beharrlich.
    »Du willst wissen, was ich denke«, erwiderte ich und
erhob mich ein bißchen wackelig auf die Füße.
»Ich denke, Väter sind nichts als
Scheißhaufen.«
    Ich mußte daran denken, was Arabel erzählt hatte.
Kleine braune Tiere von Armlänge. Und dann, wie Brown gesagt
hatte: »Dein Vater will dich nur schützen.«
    »Sie sind schlimmer als Scheißhaufen«, sagte ich.
»Alle miteinander.«
    Sie starrte mich an, an die Wand gedrückt, als bemühe
sie sich, mir zu glauben.
    »Willst du wissen, was mein Vater mir angetan hat?«
fragte ich. »Er hat mir nicht die Haare abgeschnitten. O nein;
er ließ sich etwas Besseres einfallen. Weißt du über
Treuhandkinder Bescheid?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf.
    »Ich erzähl’s dir. Mein Vater möchte,
daß sein kostbarer Name und sein kostbarer Schwanzsaft
weiterleben; aber er will keine Scherereien deswegen haben. Deshalb
setzt er einen Treuhandvertrag auf. Er bezahlt einen Haufen Geld,
fickt einen Plastikbeutel… und presto ist er Vater…
und es bleibt den Anwälten überlassen, die Drecksarbeit zu
tun. Wie zum Beispiel sich um mich zu sorgen, mich zum Sommeranfang
irgendwohin zu schicken und mir den Unterricht an dieser
gottverdammten Schule zu bezahlen. Oder mir etwas wie das hier
anzuhängen.« Ich hielt das Handgelenk mit dem
häßlichen Alarmarmband hoch. »Er hat mich nicht ein
einziges Mal gesehen. Er weiß nicht einmal, wer ich bin. Du
kannst es mir glauben. Ich weiß alles über die
Scheißväter.«
    »Ich wünschte…«, begann Zibet. Sie klappte ihr
Notizbuch auf und machte sich wieder daran, ihre Aufzeichnungen zu
übertragen.
    Ich ließ mich in die Koje fallen, weil sich die ersten
Anzeichen der Kopfschmerzen bemerkbar machten, die auf den
Floatgenuß folgen.
    Als ich wieder zu ihr hinblickte, sah ich ihre Tränen auf
ihre kostbaren Aufzeichnungen tropfen. Bei Jesus, dem Knaller; alles,
was ich sagte, schien falsch zu sein. Die einzige Hoffnung, die mir
an diesem hinterletzten Ort noch blieb, war, daß die Burschen
ihre Viecher bald über hatten, und daß meine
Zurückstufung rückgängig gemacht wurde.
     
    Bald darauf brach das Lufterneuerungssystem vollständig
zusammen. Der Campus war knietief mit Zweigen und Baumwolle bedeckt.
Man konnte kaum durchkommen. Ich kämpfte mich mit gesenktem Kopf
durch die Zweige in die Klasse. Ich sah noch nicht einmal Brown
kommen, bis es zu spät war.
    Er trug ein Tierchen auf dem Arm. »Das ist Tochter Ann«,
sagte Brown. »Tochter Ann, sag Tavvy guten Tag.«
    »Fick’ dich doch selbst«, sagte ich und eilte an
ihm vorbei.
    Er ergriff mich beim Handgelenk, drückte fest zu und
preßte mir das Alarmarmband gegen den Knochen, daß es weh
tat.
    »Das ist aber nicht höflich, Tavvy. Tochter Ann
möchte dich begrüßen. Ist es nicht so, mein
Liebling?« Er hielt mir das Tier entgegen.
    Arabel hatte recht gehabt. Es war ein scheußliches kleines
Vieh. Ich hatte noch nie eines davon so nahe gesehen. Es hatte ein
scharfgeschnittenes, kleines braunes Gesicht mit stumpfen Augen und
einem winzigen rosa Maul. Sein Fell war struppig und braun, und sein
Leib hing schlaff über Browns Arm. Brown hatte sich eine Leine
um den Hals gehängt.
    »Genau deine Kragenweite«, bemerkte ich.
»Häßlich wie aus Schlamm und ein Loch, das groß
genug ist, daß sogar du es triffst.«
    Sein Griff verstärkte sich. »So kannst du nicht reden
mit meinem…«
    »Hi«, sagte Zibet hinter mir.
    Ich wirbelte herum. Das Blag kam eben recht.
    »Hi«, erwiderte ich und wand mich aus Browns Griff.
»Brown – das ist meine Stubengenossin. Meine frischgebackene Stubengenossin. Zibet; Brown.«
    »Und das hier ist Tochter Ann«, sagte er und hielt das
Tier hoch, so daß es in Augenhöhe mit uns war. Sein
offenes, zartes, rosa Maul verlieh ihm ein stumpfsinniges Aussehen.
Ich erhaschte einen Blick auf zartes Rot an seinem anderen Ende. Und
Arabel hatte sich gefragt, welchen Reiz es auf die Jungs
ausübte!
    »Angenehm, frischgebackene Stubenkameradin«, murmelte
Brown und zog das Tier wieder an sich. »Komm’ zu
Papi«, fuhr er fort und stakte durch die Zweige davon.
    Ich rieb mir das mißhandelte Handgelenk. Bitte, bitte;
laß sie mich nicht fragen, welchen Zwecken ein Tessel dient.
Ich habe schon mehr hinter mir, als ich an

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