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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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kein Wort; sie stand nur dort, hielt meine
Hand und zwinkerte.
    »Ich habe mich verbrannt«, sagte ich. »Nur
verbrannt.«
    Sie berührte die dünnen Ränder der alten Kruste so
behutsam, als fürchte sie, ein Stückchen abzubrechen.
    »Es ist eine Verbrennung!« schrie ich, riß meine
Hand aus ihrem Griff und stieß Davids dämliche Holzscheite
in den Ofen. »Es ist nicht die Strahlenkrankheit. Es ist nur
eine Verbrennung.«
    »Weißt du, wo dein Vater ist, Lynn?« fragte sie,
als hätte sie mich gar nicht gehört.
    »Er ist an der hinteren Veranda«, erwiderte ich,
»und baut das verdammte Gewächshaus.«
    »Er ist fort«, sagte sie. »Er hat Stitch
mitgenommen.«
    »Er kann Stitch nicht mitgenommen haben«, erwiderte ich.
»Hast du auch nur eine Ahnung, wie dunkel es da
draußen ist?«
    »Ja«, erwiderte sie und ging, um aus dem Fenster zu
sehen. »Ich weiß, wie dunkel es ist.«
    Ich schnappte mir meinen Parka vom Haken am Feuer und schickte
mich an, hinauszugehen.
    David packte mich am Arm. »Wohin zum Teufel willst du denn
gehen?«
    Ich wand mich in seinem Griff. »Ich will Stitch suchen. Er
hat Angst vor der Dunkelheit.«
    »Es ist zu dunkel«, sagte er. »Du wirst dich
verlaufen.«
    »Und was ist dabei? Es ist sicherer, als hier
herumzuhängen«, erwiderte ich und schlug die Tür zu,
obwohl er seine Hand dazwischen hatte.
    Ich kam bis halb an den Holzstapel, da hatte er mich wieder
gepackt. Diesmal mit der anderen Hand. Ich hätte sie beide mit
der Tür erwischen sollen.
    »Laß mich los«, sagte ich. »Ich verschwinde.
Ich suche mir andere Leute, bei denen ich leben kann.«
    »Es gibt keine anderen Leute! Um Christi willen, wir sind im
letzten Winter den ganzen Weg bis South Park gegangen. Wir haben
niemanden gefunden. Nicht einmal Plünderern sind wir begegnet.
Und was ist, wenn du den Plünderern in die Arme läufst, die
Mr. Talbot erschossen?«
    »Was soll schon sein? Das Schlimmste, das mir passieren kann,
ist, daß sie auf mich schießen. Man hat mich schon einmal
angeschossen.«
    »Du benimmst dich wie eine Verrückte; und das
weißt du auch; oder nicht?« sagte er.
    »Kommt hier aus heiterem Himmel hereingeschneit und versetzt
allen einen gemeinen Schlag mit diesem verrückten
Brief!«
    »Einen gemeinen Schlag!« erwiderte ich, und ich
fühlte mich so elend, daß ich Angst hatte, mit Heulen
anzufangen. »Gemeiner Schlag! Was war denn das im letzten
Sommer? Wer hat denn damals gemeine Schläge
ausgeteilt?«
    »Du hattest keinen Grund, die Abkürzung zu nehmen«,
sagte David. »Dad hatte dir gesagt, daß du niemals diesen
Weg nehmen solltest.«
    »War das Grund genug, mich zu erschießen zu
versuchen? War das Grund genug, Rusty umzubringen?«
    David quetschte mir den Arm so fest, daß ich dachte, er
wäre dabei, ihn in zwei Teile zu zerbrechen. »Die
Plünderer hatten einen Hund bei sich. Wir fanden seine Spuren
überall um Mr. Talbot. Als du die Abkürzung genommen hast,
und wir Rusty bellen hörten, dachten wir, es wären die
Plünderer.« Er sah mich an. »Mom hat recht. Paranoia
ist die häufigste Todesursache. Wir alle waren im letzten Sommer
ein bißchen verrückt. Ich vermute, wir alle waren die
ganze Zeit über ein bißchen verrückt; und dann ziehst
du eine Show ab, indem du mit diesem Brief nach Hause kommst –
erinnerst uns alle an alles, was geschehen ist; und an alle, die von
uns gegangen sind…« Er ließ meinen Arm los und
starrte auf seine Hand, als hätte er nicht einmal gemerkt,
daß er mir beinahe den Arm gebrochen hätte.
    »Ich habe es dir schon gesagt. Ich fand den Brief, als ich
nach einem Magazin suchte«, sagte ich. »Ich dachte, ihr
alle wärt froh gewesen, daß ich ihn gefunden
habe.«
    »Ja«, erwiderte er. »Da möchte ich
wetten.«
    Er ging ins Haus, und ich blieb lange draußen und wartete
auf Dad und Stitch. Als ich schließlich hineinkam, sah niemand
auch nur auf. Mom stand immer noch am Fenster. Ich sah einen Stern
über ihrem Kopf. Mrs. Talbot hatte aufgehört zu weinen und
war dabei, den Tisch zu decken. Mom tischte die Suppe auf, und wir
setzten uns. Während wir aßen, kam Dad herein.
    Er hatte Stitch bei sich. Und alle Magazine. »Es tut mir
leid, Mrs. Talbot«, sagte er. »Wenn Sie es möchten,
lege ich sie unters Haus, und Sie können Lynn schicken, Ihnen
immer eines zu holen.«
    »Es spielt keine Rolle mehr«, erwiderte sie. »Ich
glaube, daß ich sie nicht mehr lesen werde.«
    Dad legte die Magazine auf die Couch und setzte sich an den
Spieltisch. Mom teilte

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